Juni 2005 |
050610 |
ENERGIE-CHRONIK |
Ein Moskauer Gericht verurteilte am 30. Mai den früheren Vorstandsvorsitzenden des Ölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowskij, zu neun Jahren Haft. Dieselbe Strafe erhielt sein Geschäftspartner Platon Lebedew, der ehemalige Präsident der mit Menatep-Gruppe. Neben Betrug und Steuerhinterziehung wurden beide der Bildung einer kriminellen Vereinigung für schuldig befunden. (FAZ, 1.6.)
Sowohl die Ankläger als auch die Richter fungierten bei diesem Prozeß als Vollstrecker des Kremlchefs Putin, der im Oktober 2003 die Verhaftung Chodorkowskijs angeordnet hatte, um einen politischen Opponenten auszuschalten und den geplanten Verkauf von Yukos-Anteilen an US-Energiekonzerne zu verhindern (031117). Unabhängige Beobachter wie die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) charakterisierten das Verfahren gegen Chodorkowskij als Farce und gelenkten Schauprozeß nach früherem sowjetischen Muster.
Der Prozeß machte erneut deutlich, daß Rußland nach wie vor weit von rechtsstaatlichen Verhältnissen entfernt ist. Er verstieß eindeutig gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die von Rußland im März 1998 ratifiziert wurde, nachdem es - allen Bedenken zum Trotz - am 24. Januar 1996 in den Europarat aufgenommen worden war.
Wie andere "Oligarchen" war Chodorkowskij nach dem Zerfall der Sowjetunion mit höchst dubiosen Methoden zu seinem Firmenimperium gekommen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei aber auch der korrupte Staatsapparat selber, der unter dem Deckmantel der "Privatisierung" das Staatsvermögen verschleuderte. Die Anklage gegen Chodorkowskij war deshalb von Anfang an eine Willkürmaßnahme, die lediglich den Zweck verfolgte, die übrigen Oligarchen einzuschüchtern und auf die Politik Putins zu verpflichten. Mit solchen Vorwürfen, wie sie gegen den Yukos-Chef erhoben wurden, könnten - auch dann, wenn es dabei rechtsstaatlich zuginge - so gut wie alle russischen Wirtschaftsbosse hinter Gitter gebracht werden.
Der staatliche Erdgaskonzern Gazprom kaufte am 3. Juni über sein Tochterunternehmen Gazprom-Media die Mehrheit der Tageszeitung "Iswestija", die eine Auflage von 200.000 Exemplaren hat und sich als Qualitätszeitung bisher eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dem Regime von Präsident Putin bewahren konnte. Gazprom-Media ist Rußlands größtes Medienunternehmen und wird direkt vom Kreml kontrolliert.