Juli 2005 |
050701 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts wurde am 12. Juli im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am folgenden Tag in Kraft. Es enthält in Artikel 1 das neue Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) und in Artikel 2 das Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen. Vier Verordnungen, die ergänzend zum neuen Energiewirtschaftsgesetz den Netzzugang und die Netzentgelte für Strom und Gas im Detail regeln, wurden am 13. Juli vom Bundeskabinett verabschiedet und traten nach ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt vom 28. Juli ebenfalls in Kraft.
Die beiden neuen Gesetze erfüllen mit einjähriger Verzögerung die Vorgaben der EU-Richtlinien für Strom und Gas, die am 16. Juli 2003 in Kraft traten und bis zum 1. Juli 2004 hätten umgesetzt werden müssen (030704). Vor allem beenden sie die Sonderrolle Deutschlands, das bisher als einziger EU-Staat keine Regulierungsbehörde für diesen Bereich eingerichtet hatte und stattdessen die Regelung des Netzzugangs und der Netznutzungsentgelte weitgehend den Branchenverbänden überließ. Diese sogenannten Verbändevereinbarungen gelten als Hauptgrund für die hohen Netznutzungsentgelte in Deutschland, die den Wettbewerb durch neue Stromanbieter weitgehend verhindert bzw. zum Erliegen gebracht haben.
Die EU-Richtlinien schreiben ferner bis Mitte 2007 die rechtliche Entflechtung von vertikal integrierten Stromversorgern vor, um den Netzbetrieb von Vertrieb und Erzeugung unabhängiger zu machen. Ausgenommen sind lediglich kleine und mittlere Stadtwerke mit bis zu 100.000 Kunden. Die Stromanbieter werden verpflichtet, ihre Kunde über die Energiequellen zu informieren, aus denen sich der von ihnen gelieferte Strom zusammensetzt, und ihnen eine Beurteilung der damit verbundenen Umweltauswirkungen hinsichtlich der CO2-Emissionen und des radioaktiven Abfalls zu ermöglichen.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf, den das Bundeskabinett vor einem Jahr verabschiedete (040702), ist im Laufe der parlamentarischen Beratungen stark modifiziert worden. Zunächst war im Haus des Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) ein äußerst branchenfreundlicher Gesetzentwurf ausgearbeitet worden, der lediglich eine nachträgliche Genehmigung der von den Netzbetreibern verlangten Entgelte durch die Regulierungsbehörde vorsah. In einer ersten Änderungsrunde wurde auf Verlangen des Bundesrats vor allem das Prinzip der "Anreizregulierung" (§ 21a) mit aufgenommen. Demnach kann die Regulierungsbehörde Höchstgrenzen für die Netzentgelte festsetzen, die sich an den Kosten der günstigsten vergleichbaren Netzbetreiber orientieren. Weniger effektive Netzbetreiber werden so zu Anpassungen ihrer Kostenstrukturen und Verbesserung ihrer Effizienz gezwungen.
In der Übergangsphase bis zum Wirksamwerden dieser Anreizregulierung mit der
Festsetzung von Höchstgrenzen müssen die Netzentgelte von der Regulierungsbehörde
vorab genehmigt werden (§ 23a). Nach §
112a hat die Regulierungsbehörde der Bundesregierung bis zum 1. Juli 2007
ein Konzept zur Durchführung der Anreizregulierung vorzulegen, das im Rahmen
der gesetzlichen Vorgaben umsetzbar ist. Ferner wurde in §
21b das Meßwesen für den Wettbewerb geöffnet, in §
20 der Abschluß von Lieferantenverträgen vereinfacht und in §
28a Sonderregelungen für neue Infrastrukturen getroffen.
Da der Bundesrat dem vom Bundestag am 15. April verabschiedeten Gesetz die Zustimmung
verweigerte (050401), wurde es im Vermittlungsausschuß
erneut geändert. So wurde in § 20 Abs.
1b der Zugang der Gasanbieter zu den Netzen erleichtert, in §
23a auch für die Netzentgelte bei Gas eine Vorab-Genehmigung eingeführt,
in § 21 Abs. 2 Satz 1 das umstrittene Kalkulationsprinzip
der "Nettosubstanzerhaltung" gestrichen, in §
54 Abs. 2 die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder für
kleine und mittlere Stadtwerke festgelegt und in §
110 auch der Fahrstrom von Eisenbahnnetzen der Regulierung nach dem Energiewirtschaftsgesetz
unterworfen. Die Stromkennzeichnungspflicht nach §
42, die in der vom Bundestag am 15. April verabschiedeten Fassung erheblich ausgeweitet
worden war, wurde wieder auf die Anforderungen nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf
zurückgenommen und in § 92 der Beitrag
der Netzbetreiber zur Finanzierung der Regulierungsbehörde auf maximal 60 Prozent
begrenzt.
Als erstes Bundesland beschloß am 19. Juli Baden-Württemberg, von der neuen Rechtsgrundlage in § 54 Abs. 2 Gebrauch zu machen und eine Landesregulierungsbehörde beim Wirtschaftsministerium einzurichten (050707).