September 2006

060904

ENERGIE-CHRONIK


Stromversorger müssen Angemessenheit ihrer Rechnungen begründen

Zahlreiche Privatverbraucher haben sich beim Bundeskartellamt über Energieversorger beschwert, die ihnen mit der Einstellung der Strom- bzw. Gaslieferung drohten, weil sie die Angemessenheit von Preiserhöhungen bezweifelten und deshalb die Rechnungen nicht in voller Höhe bezahlten. Wie die Behörde am 25. September mitteilte, hat sie in einem besonders exemplarischen Fall ein Mißbrauchsverfahren eingeleitet. Es handele sich dabei um ein Unternehmen aus dem Kreis der vier Stromkonzerne. Ferner habe sie alle Energieversorger aufgefordert, solche Androhungen in Zukunft zu unterlassen. Anderenfalls werde dies ein Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Geldbußen bis zu einer Million Euro nach sich ziehen.

"Wenn Energieversorgungsunternehmen eine solche Drohung aussprechen, ohne dass die angezweifelte Billigkeit der Preiserhöhung nachgewiesen oder durch Gericht festgestellt ist, ist das ein missbräuchliches Verhalten", erklärte Kartellamtspräsident Ulf Böge. "Es ist davon auszugehen, dass viele Bürger, insbesondere ältere und mittellose Menschen von einer solchen Drohung eingeschüchtert sind und zahlen. Durch die Sperrandrohung besteht die Gefahr, dass sich ein marktbeherrschender Versorger die Erfüllung einer Geldforderung sichert, ohne die Billigkeit der Energiepreiserhöhung nachzuweisen."

Süwag unterlag vor dem Landgericht Koblenz

Am 14. Juli 2006 hatte das Landgericht Koblenz der RWE-Tochter Süwag Energie AG untersagt, einem Kunden den Strom zu sperren bzw. mit der Sperrung zu drohen, der die Stromrechnung für unangemessen hielt und deshalb die Bezahlung des Betrags verweigerte. Zuerst müsse dem Kunden die Angemessenheit der Gebührenerhöhung dargelegt werden. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung drohte das Gericht der Süwag mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro (AZ: 4 HK.O 113/06).

Recht auf Zahlungsverweigerung in der StromGVV verankert

In der neuen Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV), die der Bundesrat am 22. September verabschiedete, wird die Berechtigung der Kunden zur Kürzung von unangemessen erscheinenden Stromrechnungen ausdrücklich klargestellt. In § 19 Abs. 2 StromGVV heißt es:

"Wegen Zahlungsverzuges darf der Grundversorger eine Unterbrechung unter den in den Sätzen 1 bis 3 genannten Voraussetzungen nur durchführen lassen, wenn der Kunde nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 100 Euro in Verzug ist. Bei der Berechnung der Höhe des Betrages nach Satz 4 bleiben diejenigen nicht titulierten Forderungen außer Betracht, die der Kunde form- und fristgerecht sowie schlüssig begründet beanstandet hat. Ferner bleiben diejenigen Rückstände außer Betracht, die wegen einer Vereinbarung zwischen Versorger und Kunde noch nicht fällig sind oder die aus einer streitigen und noch nicht rechtskräftig entschiedenen Preiserhöhung des Grundversorgers resultieren."

Neue Verordnungen ersetzen AVBEltV und AVBGasV

Die jetzt beschlossene neuen Regelungen für die Grundversorgung bei Strom (StromGVV) und Gas (GasNVV) präzisieren die Bestimmungen über Allgemeine Preise und Versorgungsbedingungen in § 39 des neuen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sowie die Grundversorgungspflicht nach § 36 und die Ersatzversorgung nach § 38. Parallel dazu verabschiedete der Bundesrat zwei Netzanschlußverordnungen für Strom (NAG) und Gas (NDAG), die die "Allgemeine Anschlußpflicht" gemäß § 18 regeln. Alle vier Verordnungen zusammen ersetzen bei ihrem Inkrafttreten die bisher gültigen "Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden" (AVBEltV) und die "Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden" (AVBGasV).