Februar 2008

080201

ENERGIE-CHRONIK


E.ON ist zum Verkauf seines Transportnetzes bereit

Der E.ON-Konzern überraschte am 28. Februar mit der Mitteilung, daß er zum Verkauf seines Stromtransportnetzes bereit sei, sofern der Erwerber nicht selber im Bereich der Stromversorgung tätig ist. Außerdem wolle er eine Kraftwerksleistung von 4800 MW an Wettbewerber veräußern. Er habe diese "strukturellen Maßnahmen" der Europäischen Kommission vorgeschlagen, "um alle laufenden Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission im Strombereich konstruktiv zu beenden". In Brüssel habe man die Vorschläge begrüßt. Die EU-Kommission werde nun einen Markttest durchführen und dann entscheiden, ob sie die von E.ON gemachten Vorschläge nach Artikel 9 der Verordnung 1/2003 für rechtlich unmittelbar bindend erklärt und im Gegenzug die derzeit laufenden Kartellverfahren gegen E.ON einstellt.

E.ON verläßt damit die Phalanx der vier Energiekonzerne, die sich bisher mit Hilfe der Bundesregierung und einer breiten Mehrheit im Bundestag gegen die von der EU-Kommission geforderte eigentumsrechtliche Entflechtung der europäischen Transportnetze gestemmt haben. Neben den kartellrechtlichen Ermittlungen der Kommission gegen E.ON wegen Marktabsprachen (070710) und Siegelbruchs (080106) dürfte eine Rolle spielen, daß die regulierten Netze bei weitem nicht mehr so profitabel sind wie früher und gerade auf der Höchstspannungsebene mit Investitionsauflagen zu rechnen ist. Auch eine Peinlichkeit wie der von E.ON verschuldete europaweite Stromausfall vom November 2006 (061101) bliebe dem Konzern künftig erspart. Auf der anderen Seite wäre ihm ein entspannteres Verhältnis zur Kommission sicher nützlich, wenn er innerhalb der EU zu weiteren Erwerbungen schreitet. Zum Beispiel hat er momentan ein Auge auf die spanische Iberdrola geworfen.

Deutschland und Frankreich widersetzen sich beiden Vorschlägen der Kommission und plädieren für einen "Dritten Weg"

Die Verkaufsbereitschaft wurde zunächst durch Berichte im "Handelsblatt" (27.2.) und in der "Frankfurter Allgemeinen" (28.2.) publik, ehe E.ON sie bestätigte – wohl nicht ganz zufällig kurz vor einer Sitzung der Energieminister in Brüssel, bei der Deutschland, Frankreich, Österreich und weitere fünf EU-Staaten erneut eine eigentumsrechtliche Entflechtung zu verhindern versuchten. Auch die ersatzweise von der Kommission vorgeschlagene Übertragung der Betriebsführung an einen unabhängigen Netzbetreiber lehnten sie ab. Stattdessen plädierten die acht Länder für einen "dritten Weg", der die bereits jetzt im EU-Recht verankerte rechtliche Trennung zwischen Erzeugung und Vertrieb lediglich etwas verbessern würde. Ein entsprechendes Papier liegt der EU-Kommission seit 30. Januar vor. In einer Rede am 27. Februar – dem Vortag der Ministerratssitzung – hatte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes die darin enthaltenen Vorschläge als unzureichend bezeichnet. Die Ratssitzung endete mit einem der EU-üblichen Kommuniqués, die in diplomatisch-verwaschener Sprache die Differenzen eher erahnen als deutlich werden lassen.

Bundesregierung muß sich düpiert vorkommen

Die politischen Instanzen müssen sich durch den Schwenk von E.ON in ähnlicher Weise düpiert vorkommen wie vor 19 Jahren, als sie für die Kernkraftwerksbetreiber die Errichtung der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf gegen alle Widerstände durchboxen wollten, während Veba, Bayernwerk und RWE plötzlich auf die preisgünstigere Lösung der Wiederaufarbeitung in La Hague und Sellafield umschalteten. Daran ändert auch nichts, daß E.ON-Chef Wulf Bernotat die Bundeskanzlerin Angela Merkel schon vor Bekanntwerden der Verhandlungen mit Brüssel über den neuen Stand der Dinge informierte. Ein Regierungssprecher, der dies bestätigte, fügte hinzu, daß die Bundesregierung den von ihr vorgeschlagenen "dritten Weg" weiterhin für die bessere Lösung halte. Indessen wäre ein Beharren auf der alten Position wenig sinnvoll, nachdem der größte der vier Transportnetzbetreiber zur eigentumsmäßigen Abtrennung seines Netzes bereit ist. Hinzu kommt, daß es inzwischen auch seitens des Vattenfall-Konzerns entsprechende Signale gibt.

Rhiel will seinen Gesetzentwurf noch einbringen

Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) glaubt nicht, daß ein Verkauf der E.ON-Netze zu spürbar sinkenden Strompreisen führen würde. Vielmehr müsse die Zahl der Stromproduzenten in der Bundesrepublik steigen, hieß es in einer Pressemitteilung des Ministers, der aufgrund des Ausgangs der hessischen Landtagswahlen wohl nicht mehr lange im Amt bleiben wird. Notfalls müsse das Bundeskartellamt Stromkonzerne zwingen können, Kraftwerke an Dritte zu verkaufen. Rhiel kündigte an, den diesbezüglichen Gesetzentwurf Hessens zur Verschärfung des Wettbewerbsrechts (071106) am 14. März im Bundesrat einzubringen.

Links (intern)