September 2008 |
080901 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur will künftig auch die Kosten der überregionalen Ferngasnetzbetreiber überwachen und damit eine große Lücke in der bisherigen Regulierungspraxis schließen. Diese Ankündigung machte Behördenchef Matthias Kurth am 23. September bei der Vorlage des "Monitoringberichts 2008" zur Entwicklung der Strom- und Gasmärkte 2008. Zunächst seien die E.ON Gastransport GmbH, die Wingas Transport GmbH & Co. KG und die Gasunie Deutschland Transport Services GmbH aufgefordert worden, binnen zwei Monaten ihre Kosten darzulegen. Anschließend sollen die Unternehmen einem Effizienzvergleich unterzogen werden und ab dem 1. Januar 2010 der Anreizregulierung unterliegen.
Bisher hatten insgesamt zehn Netzbetreiber beansprucht, von der Kostenüberprüfung ausgenommen zu werden, da sie gemäß § 3 Abs. 2 der Gasnetzentgeltsverordnung (GasNEV) "zu einem überwiegenden Teil wirksamem oder potenziellem Leitungswettbewerb ausgesetzt" seien. Sie vermieden damit nicht nur die Vorab-Genehmigung ihrer Netzentgelte, sondern wären auch von der Einbeziehung in die anschließende Anreizregulierung verschont geblieben.
E.ON, Wingas und Gasunie bestreiten fast zwei Drittel der in Deutschland durchgeführten Ferngastransporte. Die Einbeziehung der drei Branchenführer in die Anreizregulierung bedeutet, daß auch die sieben anderen überregionalen Ferngasnetzbetreiber künftig ihre Kosten darlegen und sich einem Effizienzvergleich unterziehen müssen. Es handelt sich dabei um die Unternehmen StatoilHydro Deutschland, Erdgas Münster Transport, RWE Transportnetz Gas, Gaz de France Deutschland Transport, Ontras-VNG Gastransport, Dong Energy Pipelines und Eni Gas Transport Deutschland. Diese noch laufenden Verfahren würden "zeitnah" abgeschlossen, sagte Kurth.
Nach Feststellung der Bundesnetzagentur entspricht die Annahme eines Leitungswettbewerbs auf der Ferngasstufe nicht der Realität. "Diese Netzbetreiber verfügen über eine dominierende Marktmacht und besitzen daher nicht durch den Wettbewerb kontrollierte Verhaltensspielräume", erklärte Behördenchef Kurth. "Bemühungen von Gasnetzbetreibern, durch niedrige Preise Netzkunden zu gewinnen, sind nicht erkennbar." Die Kapazitäten im Ferngasnetz seien bei allen Betreibern langfristig ausgebucht, und es bestehe kaum eine Möglichkeit, auf Alternativangebote auszuweichen. Das Bundeskartellamt teile diese Sichtweise.
Die Unternehmen haben indessen Gelegenheit, wieder in den Genuß der Privilegierung nach § 3 Abs. 2 GasNEV zu gelangen, wenn sie nachweisen, daß sich die Situation verändert hat und tatsächlich Leitungswettbewerb besteht. Bereits Ende 2010, also zwei Jahre vor Beginn der nächsten Regulierungsperiode, können sie erneut entsprechende Anträge stellen.
Unabhängig von den jetzt eingeleiteten Verfahren wird die Bundesnetzagentur über zwei Anträge von Wingas und E.ON entscheiden, die geplanten Pipelines "Opal" und "Nel", die im Anschluß an die bei Greifswald anlandende Ostsee-Pipeline die Verbindung zum bestehenden Gastransportnetz herstellen sollen, von der Regulierung auszunehmen (siehe 080907).
Die Gasnetzentgeltsverordnung (GasNEV) befreit in § 3 Abs. 2 die Fernleitungsnetze von der Genehmigung der Netzentgelte, sofern sie "zu einem überwiegenden Teil wirksamem oder potenziellem Leitungswettbewerb ausgesetzt" sind. Die Bundesnetzagentur darf in diesem Fall die geltend gemachten Kosten nicht überprüfen und gegebenenfalls kürzen. Es wird ihr lediglich erlaubt, die verlangten Netzentgelte mit "strukturell vergleichbaren Netzen" in der EU zu vergleichen und bei Überschreitung eine Reduzierung zu verlangen. Damit werden die Importeure und Förderer auch von der Anreizregulierung ausgenommen, da diese gemäß § 21 Abs. 2 EnWG nur die kostenorientierte Netzentgeltgenehmigung ablösen soll.
Die Ausnahmeregelung war erfolgreicher Lobbyarbeit zuzuschreiben. Begründet wurde sie indessen damit, daß auf der Import- und Förderebene Wettbewerb bestehe, wobei der längst historisch gewordene "Gaskrieg" zwischen Ruhrgas und BASF als Beleg herangezogen wurde.
Der Verband Deutscher Gas- und Stromhändler (EFET) legte im Mai 2007 ein Gutachten des Lehrstuhls für Energiewirtschaft an der Universität Dresden vor, wonach auch beim Erdgasferntransport kein wirksamer oder potenzieller Wettbewerb besteht. Vielmehr wiesen auch diese Netze die Kostenstruktur eines natürlichen Monopols auf. Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Kostengenehmigung seien somit nach der Gasnetzzugangsverordnung nicht erfüllt.
Grundsätzliche Kritik übte schon vor zwei Jahren die Monopolkommission. In ihrem 16. Hauptgutachtens vom Juli 2006 rügte sie die Ausnahmeregelung als "wettbewerbspolitisch nicht zu rechtfertigende Privilegierung der Betreiber von Gasfernleitungsnetzen". Die Annahme eines vorhandenen oder zumindest möglichen Leitungswettbewerbs, der eine Kostenregulierung überflüssig macht, entbehre jeder Grundlage. Ebenso wie die lokalen Verteilnetze wiesen die Gasfernleitungsnetze alle wesentlichen Elemente eines nicht angreifbaren natürlichen Monopols auf. Der Hinweis auf den "Gaskrieg" Anfang der neunziger Jahre greife nicht. Der damalige Aufbau einer eigenen Transport- und Speicherinfrastruktur durch die Wingas stellt eine historische Ausnahme dar, die den konzerninternen Versorgungsinteressen der Wingas Muttergesellschaft BASF gedient habe. Dabei sei es gerade nicht darum gegangen, anderen Ferngasgesellschaften Konkurrenz um Transportkunden zu machen. Von dieser Ausnahme abgesehen, habe es in Deutschland keinen signifikanten parallelen Leitungsbau mehr gegeben. Die Befreiung der Gasfernleitungsnetze von der kostenorientierten Entgeltregulierung lasse sich damit nicht rechtfertigen.