März 2009 |
090301 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Kommission verabschiedete am 18. März zwei Verordnungen zur schrittweisen Abschaffung von Glühlampen im häuslichen Bereich sowie zur Beleuchtung von Büros, Straßen und Industrieanlagen. Beide Verordnungen wurden am 24. März im Amtsblatt veröffentlicht und können damit in Kraft treten. Schon im September dieses Jahres werden demnach alle Glühlampen mit 100 Watt und darüber vom Markt verschwinden. Auch mattierte Birnen jeglicher Wattzahl fallen ab diesem Zeitpunkt unter das Verdikt mangelnder Effizienz. Jeweils ein Jahr später kommt das Aus für Lampen mit 75 und 60 Watt. Im September 2012 trifft das Verkaufsverbot auch den Rest der marktgängigen Klarlampen mit 40, 25 und 15 Watt. Betroffen sind alle Arten von Glühlampen. Auch die Halogen-Glühlampen sollen in den heute gebräuchlichen Ausführungen vom Markt verschwinden und nur noch in einer besonders effizienten Ausführung eine Überlebenschance haben (siehe Übersicht).
Die Kommission bejubelte die beiden Verordnungen als "bahnbrechende Maßnahme" und als "deutlichen Beleg für die Entschlossenheit der EU, ihre Energieeffizienz- und Klimaschutzziele zu erreichen". Insgesamt werde dadurch bis 2020 eine Energieeinsparung von nahezu 80 Terawattstunden erreicht, was ungefähr dem Stromverbrauch Belgiens entspreche. Außerdem würden jährlich 11 Milliarden Euro eingespart und könnten in die europäische Wirtschaft zurückfließen, hieß es in der Pressemitteilung weiter.
In Wirklichkeit basieren die angeblichen Energie- und Kosteneinsparungen auf fragwürdigen Berechnungen. Die Kommission hat es bitter nötig, den Mund so voll zu nehmen, weil hier die Lobby-Arbeit der Leuchtmittel-Hersteller eine ungute Verbindung mit dem Umwelt-Aktivismus der Kommission eingegangen ist. Zumindest das Verkaufsverbot für Glühlampen ist ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre der EU-Bürger, der für die Energieeinsparung nicht viel bringt, dem Verbraucher aber unterm Strich höhere Kosten beschert und die Umwelt mit hochgiftigem Quecksilber belastet.
Die Kompaktleuchtstofflampen, die nach dem Willen der Kommission künftig die Glühlampen ersetzen sollen, konnten sich bisher am Markt nicht durchsetzen. Sie blieben im privaten Bereich eine Nischenanwendung, weil die Mehrheit der Verbraucher das Licht der "Energiesparlampen" als kalt und unangenehm empfindet. Tatsächlich erzeugen Leuchtstofflampen ein diskontinuierliches Lichtspektrum, das sich psychologisch und physiologisch nachteilig auswirken kann. Glühlampen haben dagegen ein durchgehendes Lichtspektrum und erlauben deshalb auch eine bessere Beurteilung von Farben. Daß sie über neunzig Prozent des Stroms nicht in Licht, sondern in Wärme verwandeln, ist subjektiv ebenfalls kein Nachteil, sondern wird als wohltuend empfunden. Objektiv trägt ihre Wärme zur Raumheizung bei und ist damit den größten Teil des Jahres willkommen. Die geringere Wärmeabgabe der Leuchtstofflampen wird dagegen durch vermehrte Energiezufuhr für die konventionelle Raumheizung ausgeglichen werden müssen – wobei wegen des als "kalt" empfundenen Lichts vielleicht noch stärker am Heizungsregler gedreht wird, als es nötig wäre.
Anstatt das klare Votum der Verbraucher für die Glühlampe zu respektieren, will die Kommission nun die 500 Millionen EU-Bürger zwingen, nur noch Leuchtstofflampen zu verwenden. Die jetzt beschlossene Verordnung bestimmt, daß der Stromverbrauch zur Erzeugung einer bestimmten Lichtfülle (in Lumen) bestimmte Werte nicht überschreiten darf. Diese Werte sind so bemessen, daß faktisch nur noch Leuchtstofflampen zulässig sein werden. Auch die meisten Halogen-Glühlampen werden die Kriterien nicht erfüllen können und deshalb schrittweise dem Verkaufsverbot zum Opfer fallen.
Treibende Kraft hinter dem Glühlampen-Verbot sind anscheinend die Siemens-Tochter Osram und der niederländische Philips-Konzern, die in Europa den Leuchtmittel-Markt beherrschen und bisher die sogenannten Energiesparlampen nicht so los wurden, wie sie es gerne hätten. Auch die Mehrzahl der "Sachverständigen" der einzelnen EU-Mitgliedstaaten, die in einer Sitzung des Ökodesign-Regelungsausschusses am 8. Dezember 2008 den Verordnungsentwurf billigten (081201), dürfte dem Umkreis der Leuchtmittel-Hersteller zuzurechnen sein. Dieses Lobby-Interesse ergänzte sich mit dem Ehrgeiz der Kommission in Sachen Energieeffizienz und dem beschränkten Sachverstand des zuständigen Energiekommissars Andris Piebalgs. Offenbar ist der frühere Lehrer für Mathematik und Physik der Meinung, es komme nur auf die Lumen-Ausbeute pro Watt an und die Wahl des richtigen Leuchtmittels sei deshalb nur eine Frage der Energieeffizienz.
Wie dürftig Piebalgs Kenntnisse sind, offenbarte er unfreiwillig selbst, indem er mehrfach verkündete: "Wenn die europäischen Haushalte die aus dem letzten Jahrhundert stammenden Lampen durch leistungsfähigere Technologien ersetzen, sparen sie bei gleicher Beleuchtungsqualität nicht nur Energie und Geld, sondern schonen außerdem die Umwelt." Der aus Lettland stammende Energiekommissar weiß demnach nicht, daß auch die Kompakt-Leuchtstofflampe noch aus dem letzten Jahrhundert stammt (sie kam erstmals 1981 auf den Markt; allerdings nicht in Lettland, das damals noch eine sowjetische Provinz war). Die ersten Leuchtstofflampen wurden bereits vor über siebzig Jahren präsentiert. Das zugrundeliegende Prinzip der Quecksilberdampflampe ist sogar eine Entdeckung des 19. Jahrhunderts und ungefähr so alt wie die Glühbirne (siehe Hintergrund).
Außer der Kommission, die sich von der Leuchtmittel-Lobby umgarnen ließ, hat auch das Europäische Parlament versagt. Am 17. Februar lehnte der Umweltausschuß den Antrag mehrerer Abgeordneter ab, das Parlament über das geplante Glühlampen-Verbot abstimmen zu lassen (090208). Die Kritiker warfen der Kommission eine Überschreitung ihrer Kompetenzen vor, weil eine derart gravierende Bevormundung der EU-Bürger nicht einfach aufgrund irgendwelcher Experten-Anhörungen und Ausschußberatungen erfolgen dürfe. Ein ablehnendes Votum des Parlaments mit dieser Begründung hätte die Kommission nicht ignorieren können. So aber bekam sie nun auch seitens des Parlaments grünes Licht, um das Glühlampen-Verbot im Wege des sogenannten Komitologie-Verfahrens einfach zu beschließen.
Formal handelt es sich beim Verbot des Glühlampen-Verkaufs um eine Durchführungsmaßnahme zur sogenannten Ökodesign-Richtlinie aus dem Jahre 2005 (050402). Diese Richtlinie bildet die gesetzliche Grundlage für Energiesparmaßnahmen, die sowohl durch weitere Rechtsakte der Kommission wie auch durch nationale Ausführungsbestimmungen präzisiert werden können. Soweit die Kommission im Verordnungswege tätig wird, setzt sie für alle EU-Staaten unmittelbar geltendes Recht. Wie das Beispiel des Glühlampen-Verbots zeigt, ist der Prozeß der Entscheidungsfindung dabei für Außenstehende vollkommen undurchsichtig. Er findet tatsächlich in den "Hinterzimmern" irgendwelcher Ausschüsse statt, in denen die Kommission den Vorsitz führt, während sogenannte nationale Experten bzw. Lobbyisten das Sagen haben. Dieses Ausschußwesen wird im EU-Jargon als "Komitologie" bezeichnet. Die hinter verschlossenen Türen getroffenen Entscheidungen der Regelungsausschüsse werden dann in Verordnungsentwürfe der Kommission umgesetzt und als unmittelbar für die ganze EU geltendes Recht exekutiert.
Seit 1999 müssen die Verordnungsentwürfe zwar auch dem Parlament zur Kenntnis gebracht werden. Dieses kann aber nur dann seine Zustimmung verweigern, wenn der Verordnungsentwurf die Grenzen einer Durchführungsmaßnahme zur gesetzlichen Basisermächtigung überschreitet. Beim Glühlampen-Verbot ist das sicherlich der Fall. Das Europäische Parlament hat sich aber seiner bescheidenen Mitwirkungsrechte vorab selber beraubt, indem sein Umweltausschuß es mit großer Mehrheit ablehnte, die Einhaltung bzw. Überschreitung der Kommissions-Kompetenzen durch das Plenum feststellen zu lassen.
"Die EU-Kommission geht vor den europäischen Konzernen Siemens und Philips in die Knie", resümierte das österreichische Magazin "profil" das Zustandekommen des Glühlampen-Verbots. "In einem Akt beispielloser Bürokratenwillkür sollen konventionelle Glühbirnen für den Haushaltsgebrauch ab 1. September dieses Jahres stufenweise vom Markt verschwinden – zugunsten einer längst überholten und obendrein hochtoxischen Technologie, die sich in den vergangenen zwanzig Jahren nie recht durchsetzen konnte."
Auf europäischer Ebene werde damit das giftige Schwermetall Quecksilber künftig tonnenweise anfallen, schrieb das Magazin weiter (wobei noch sehr die Frage ist, wieweit ausgediente oder zerbrochene Lampen tatsächlich vorschriftsgemäß als Sondermüll entsorgt werden). Die Lobbyisten würden zwar nicht müde, den Quecksilber-Gehalt der Lampen mit den Quecksilber-Emissionen aufzurechnen, die durch Braunkohle-Kraftwerke entstünden. Die Behauptung, durch den geringeren Stromverbrauch der Lampen werde so die Quecksilber-Belastung kompensiert, sei aber "reiner Unsinn". Außerdem werde für die Herstellung einer einzigen Energiesparlampe bis zu zehnmal mehr Energie verbraucht und somit CO2 freisetzt, als das bei einer simplen Glühbirne der Fall ist.