August 2009 |
090806 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die deutsche Gazprom-Tochter hat beim Aufbau eigener Speicherkapazitäten für Erdgas einen Rückschlag erlitten. Wie sie am 10. August mitteilte, wurden die Erkundungsarbeiten für den geplanten Erdgasspeicher beim Dorf Schweinrich in der Nähe von Wittstock abgebrochen, weil das Deckgestein über dem geplanten Porenspeicher keine hinreichende Dichtheit erwarten läßt. Das "anfänglich sehr vielversprechende Projekt" erfülle damit nicht die Sicherheitsanforderungen und werde nicht weiter verfolgt. Der bei Schweinrich geplante Porenspeicher sollte in vier bis sechs Jahren mit Erdgas gefüllt werden, das dann über die geplante Ostsee-Pipeline aus Rußland kommt. Mit einem Gesamtvolumen von bis zu zehn Milliarden Kubikmeter wäre er der größte Erdgasspeicher Deutschlands und Westeuropas geworden (siehe Tabelle 1).
Die Gazprom konzentriert ihre Bemühungen nun auf die Erkundung des benachbarten Standorts Hinrichshagen bei Waren im Müritzkreis, wo drei Erkundundsbohrungen und die seismische Untersuchung bereits erfolgreich abgeschlossen wurden. Der Eignungsnachweis soll in Kürze vorliegen. Das Gesamtvolumen dieses geplanten Porenspeichers wird auf bis zu fünf Milliarden Kubikmeter veranschlagt.
(Die Grafik läßt sich durch Anklicken vergrößern) |
Über die Wingas, die in Rehden den mit Abstand größten Erdgasspeicher betreibt, hatte die deutsche Gazprom schon immer einen Fuß im deutschen Speichergeschäft, denn sie war mit 35 Prozent an der BASF/Wintershall-Tochter beteiligt. Seit 2006 besitzt sie sogar eine fast paritätische Beteiligung an Wingas (minus einer Aktie). Offenbar genügte ihr dies aber nicht mehr, nachdem aus Moskau die Weisung gekommen war, sich nicht länger auf die Rolle des Lieferanten zu beschränken, sondern selber auf dem deutschen Markt aktiv zu werden (051203). Schon 2005 begann sie damit, eigene Speicherkapazitäten in Westeuropa aufzubauen. Über ihre Tochter ZMB beantragte sie damals die Nutzung des Saltfleetby-Gasfeldes in Großbritannien als Speicher für Erdgas und beteiligte sich am österreichischen Erdgasspeicher Haidach. Seit 2006 bereitete sie die Erkundung der Gesteinformationen bei Hinrichshagen und Schweinrich vor. 2007 sicherte sie sich eine Beteiligung am Speicherprojekt Etzel mit einem Arbeitsgasvolumen in Höhe von 160 Millionen Kubikmeter und Transportkapazitäten in Höhe von 300.000 Kubikmeter pro Stunde. Im Mai 2009 gründete sie mit der ostdeutschen VNG ein Gemeinschaftsunternehmen zur Errichtung und zum Betrieb eines Kavernenspeichers bei Peissen in Sachsen-Anhalt (090509).
Derzeit sind in Deutschland insgesamt 47 Erdgasspeicher in Betrieb, die ein Arbeitsgasvolumen von 20,3 Milliarden Kubikmeter besitzen. Weitere 19 Speicher mit einem Arbeitsgasvolumen von 7,4 Milliarden Kubikmeter befinden sich in Planung oder im Bau (siehe Tabelle 2). Deutschland verfügt damit innerhalb der EU über die größten Speicherkapazitäten und belegt weltweit nach den USA, Rußland und der Ukraine den vierten Platz. Als Arbeitsgas wird jenes Gas bezeichnet, das dem Gesamtvolumen der Gasspeicher tatsächlich entnommen werden kann, im Unterschied zum "Kissengas", das für die Aufrechterhaltung des notwendigen Druckes im Speicher verbleiben muß. Der Anteil des Arbeitsgases am Gesamtvolumen aller Speicher beträgt in Deutschland etwa sechzig Prozent. Er differiert jedoch im einzelnen und ist bei Porenspeichern generell größer als bei Kavernenspeichern.
Von den 47 Erdgasspeichern in Deutschland sind 23 Porenspeicher (12,5 Mrd. Kubikmeter) und 24 Kavernenspeicher (7,8 Mrd. Kubikmeter). Bei Porenspeichern handelt es sich um ausgebeutete Gas- oder Ölvorkommen oder andere poröse Gesteine, in die das Gas zur Speicherung hineingepreßt wird. Kavernenspeicher sind dagegen reine Hohlräume, wie sie sich in Salzstöcken herstellen lassen. Porenspeicher geben das Gas nur relativ langsam wieder ab. Sie eignen sich deshalb vor allem für den Ausgleich saisonaler Schwankungen des Gasverbrauchs. Kavernenspeicher sind dagegen schneller zu aktivieren. Sie dienen deshalb besonders zur Abdeckung tageszeitlicher Verbrauchsspitzen. Aus geologischen Gründen gibt es Kavernenspeicher aber nur im Norden Deutschlands (siehe Grafik). Gasspeicher sind praktisch immer Untertagespeicher. Die oberirdische Speicherung spielt so gut wie keine Rolle.
Die Speicher werden in der Regel von den Ferngasunternehmen betrieben, die zugleich
Gasimporteure sind. Sie sind für die Aufrechterhaltung der Gasversorgung unentbehrlich.
Sie dienen als Puffer zwischen der kontinuierlichen Einspeisung aus den Fördergebieten
und den Schwankungen der Nachfrage. Man benötigt sie aber nicht nur zur Abdeckung
von tageszeitlichen und saisonalen Verbrauchsschwankungen, sondern auch zur Bevorratung
bei Unterbrechungen des Gasimports und für den Handel mit Gas im liberalisierten
Energiemarkt. Aus wirtschaftlicher wie aus politischer Sicht wird deshalb dem Ausbau
der Speicherkapazitäten neuerdings erhöhte Bedeutung beigemessen. Gemäß
§ 26 EnWG unterliegt der Zugang zu den Gasspeichern
– im Unterschied zu den Gasnetzen – nicht der Regulierung durch die Bundesnetzagentur,
sondern erfolgt auf vertraglicher Grundlage. Die Monopolkommission spricht sich in
ihrem neuesten Gutachten (090802) für die Beibehaltung
dieses Zustandes aus. Sie regt aber die Auktionierung von Kapazitäten an, um
den Speicherzugang für Dritte zu erleichtern und einer Hortung von Speicherkapazitäten
vorzubeugen. Außerdem fordert sie eine Ausweitung der Veröffentlichungspflichten
auf die Anzeige der Speicherfüllstände.