Mai 2010

100507

ENERGIE-CHRONIK


Stromversorger benutzen EEG-Kosten als Alibi für Preiserhöhungen

Rund 30 Stromversorger haben für Juni und Juli weitere Preiserhöhungen um bis zu 16 Prozent angekündigt. Im Durchschnitt betrage die Preiserhöhung 5,6 Prozent, teilte der Tarifvergleicher "Check24" am 26. Mai mit. Bei den Gaspreisen wollen sogar 13 Versorger um bis zu 29 Prozent erhöhen, obwohl die Großhandelspreise für Gas generell stark zurückgegangen sind (100206). Lediglich acht Gasversorger beabsichtigen Preissenkungen um durchschnittlich fünf Prozent.

Wie üblich werden die "Preisanpassungen" mit fadenscheinigen Argumenten begründet. Besonders gern verweisen die Stromversorger auf die massive Erhöhung der EEG-Umlage zum Jahresbeginn, obwohl der größte Teil der angeblichen "Mehrkosten" lediglich auf einer Umschichtung von Kosten beruht, die bisher in die Netzentgelte eingingen (100407).

Zum Beispiel begründete der südhessische Stromversorger GGEW (080415) eine Erhöhung des Kilowattstundenpreises um brutto 1,55 Cent mit dem folgenden Schreiben, das den Kunden über die tatsächlichen Hintergründe des plötzlichen Anstiegs der EEG-Umlage völlig im Unklaren läßt. Stattdessen wird versucht, die hohen Vergütungen für Solarstrom zum Sündenbock zu machen:

"Sehr geehrte Frau ....

"Der Boom in der Solarbranche läßt die Strompreise explodieren", "Solarenergie macht Strom 10 Prozent teurer". Solche und ähnliche Meldungen konnten Sie wiederholt den Nachrichten entnehmen. Durch diese Berichterstattung in den Medien wird es deshalb nicht überraschen: Der Strompreis klettert nach oben.

Die staatlichen Abgaben zur Förderung regenerativer Energien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stiegen zum 1. Januar 2010 um rund 75 Prozent. 2,047 Cent (netto) belasten seitdem den Strompreis pro Kilowattstunde (kWh). Hauptgrund: Es gibt immer mehr Solaranlagen auf Deutschlands Dächern – die Ökostrommenge nimmt zu. Dies erhöht die von der Politik zugesagten Vergütungszahlungen an die Betreiber solcher Anlagen. Viele Energieanbieter hatten deswegen bereits im Januar oder April ihre Strompreise angehoben.

Die GGEW AG konnte die Mehrbelastung im Interesse der Verbraucher bisher auffangen: Durch unsere Unabhängigkeit beim Einkauf an den Strombörsen und dem dort sinkenden Strompreis. Ab 1. Juli 2010 müssen auch wir die Strompreise anpassen."

Photovoltaik soll als Sündenbock für steigende Strompreise herhalten

An der hier zitierten Argumentation eines kommunalen Stromversorgers stimmt eigentlich nur, daß Solarstrom von allen Arten EEG-Strom am stärksten bezuschußt wird. Eine prozentuale Zunahme der Solarstromerzeugung hat deshalb eine noch höhere prozentuale Zunahme bei der Vergütung zur Folge. Zum Beispiel wuchs die Solarstromerzeugung von 2007 bis 2008 um sechs Prozent, wurde aber mit einer um 14 Prozent höheren Summe vergütet. Entsprechend trug Solarstrom 2008 nur mit 6,2 Prozent zur gesamten EEG-Erzeugung von 71 Terawattstunden bei, beanspruchte aber rund ein Viertel der EEG-Vergütungen von insgesamt neun Milliarden Euro (100403).

Wie die politische Diskussion um notwendige Abstriche an den Solarstrom-Vergütungen zeigt (100501), kann man über verschiedene Punkte der EEG-Förderung durchaus geteilter Meinung sein. Es ist aber unzutreffend und irreführend, eine Strompreiserhöhung um 1,55 Cent/kWh mit gestiegenen Vergütungen für EEG-Strom begründen zu wollen oder gar die Photovoltaik zum alleinigen Sündenbock zu machen. Tatsächlich ist die EEG-Umlage nur moderat gestiegen: Zuletzt von 1,16 Cent/kWh im Jahr 2008 auf 1,20 Cent/kWh im vergangenen Jahr (100407). Das war eine Erhöhung um 0,04 Cent, von der weniger als die Hälfte auf Solarstrom entfiel.

Daran würde sich auch im laufenden Jahr nicht viel ändern, sofern man weiterhin nur die Einspeisungsvergütungen betrachten und am alten Prozedere zur Umverteilung der Kosten festhalten würde. Daß die EEG-Umlage trotzdem enorm steigt, ist im wesentlichen auf eine grundlegende Neuregelung des EEG-Ausgleichsverfahrens zurückzuführen (100201). Damit wird nämlich die bisherige Absatzgarantie für EEG-Strom beseitigt. Zugleich gehen die Verluste, die sich aus dem nunmehr obligatorischen Verkauf von Windstrom an der Börse ergeben, als neuer Bestandteil in die EEG-Umlage ein und werden so auf die Verbraucher abgewälzt.

Die neue EEG-Abrechnung wird sogar als Kostenbremse dargestellt

Der Stromversorger GGEW hat seinem Anschreiben an die Kunden noch die Pressemitteilung des BDEW vom 15. Oktober 2009 beigefügt, mit der die Branche die Neuregelung der EEG-Abrechnung begrüßte (091201). In diesem Text wird generell ein weiterer Anstieg der Strompreise angekündigt und ebenfalls der Eindruck erweckt, als ob dies auf den "starken Ausbau der erneuerbaren Energien" zurückzuführen sei. Die BDEW-Chefin Hildegard Müller umreißt die argumentative Marschroute mit den Worten: "Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist wichtig und richtig, hat allerdings auch seinen Preis. Das sollte ehrlich kommuniziert werden."

Anschließend wird in der BDEW-Mitteilung die Umstellung des EEG-Ausgleichsverfahrens eher beiläufig erwähnt. Irgendwo ist im Text sogar von einer dadurch bewirkten Erhöhung der EEG-Umlage die Rede. Für den unbefangenen Leser bleiben die Zusammenhänge aber völlig unklar. Ihm wird so suggeriert, daß der Ausbau der erneuerbaren Energien die EEG-Umlage explodieren lasse. Er muß sogar den Eindruck gewinnen, als ob ausgerechnet die Umstellung des EEG-Ausgleichsverfahrens einen "kostendämpfenden Effekt" entfalte:

"Einen wichtigen kostendämpfenden Effekt hat hingegen die im Juli 2009 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Umstellung des so genannten Wälzungsmechanismus: Diese Umstellung führt zu Kosteneinsparungen und erhöht die Transparenz des EEG deutlich. Für die Unternehmen bringt die Verordnung darüber hinaus Effizienzsteigerungen und Planungssicherheit, denn mit der Abschaffung der physikalischen Wälzung entfällt das Prognoserisiko, da sie keinen hinsichtlich der Menge monatlich schwankenden EEG-Strom mehr abnehmen müssen."

In der Tat bedeutet die Neuregelung einen "wichtigen kostendämpfenden Effekt" für die Branche, die wieder mal erfolgreiche Lobbyarbeit geleistet hat. Für die Stromkunden ergeben sich daraus jedoch nur Nachteile. Über die EEG-Umlage müssen sie nun auch noch für die Verluste aufkommen, die durch die Verramschung von Windstrom an der Börse entstehen. Faktisch werden sie dafür in Haftung genommen, daß der Ausbau der Regelenergie-Kapazitäten nicht Schritt gehalten hat mit der Zunahme der EEG-Einspeisungen. Zugleich spüren sie nichts von der gleichzeitigen Entlastung bei den Netzentgelten, die nach Ansicht der Bundesnetzagentur mit der Neuregelung einhergehen und zu einer insgesamt gleichbleibenden Belastung für die Endverbraucher führen müßte (091103).

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