Dezember 2010

101209

ENERGIE-CHRONIK


Proteste gegen Castor-Transport ins Zwischenlager Greifswald

Ein Zug mit vier Castor-Behältern, der am 14. Dezember in Südfrankreich gestartet war, erreichte am 16. Dezember das Zwischenlager Lubmin bei Greifswald. Bei dem hochradioaktivem Müll handelte es sich um 2413 Brennstäbe aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und 52 Brennstäbe vom Atomfrachter "Otto Hahn", die bisher im französischen Kernforschungszentrum Cadarache zwischenlagerten. Um Behinderungen durch Demonstranten zu vermeiden, rollte der Zug nicht auf der üblichen Strecke bei Straßburg oder in der Südpfalz über die Grenze, sondern wurde über das Saarland geführt. In Mecklenburg-Vorpommern wurde er jedoch mehrfach durch Atomkraftgegner aufgehalten. Bei Ludwigslust und bei Lubmin blockierten Demonstranten die Gleise. Bei Friedrichshagen ketteten sich zwei Aktivisten der Umweltschutzorganisation "Robin Wood" an die Schienen.

In Lubmin sollte eigentlich nur Atommüll aus der DDR zwischengelagert werden

Die 2413 Brennstäbe aus Karlsruhe standen seit 1999 in Frankreich zum Rücktransport bereit, nachdem sich ihre ursprünglich vorgesehene Wiederaufarbeitung als unmöglich herausgestellt hatte. Seit 2004 gab es den Plan, sie gemeinsam mit den 52 Brennstäben der "Otto Hahn" nach Lubmin zu bringen und dort zwischenzulagern. Da das "Zwischenlager Nord" eigentlich nur für Atommüll aus der ehemaligen DDR gedacht ist, stellte der staatliche Zwischenlager-Betreiber Energiewerke Nord (EWN) im April 2005 einen entsprechenden Änderungsantrag, den das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Mai 2010 zusammen mit dem Transport von Cadarache nach Greifswald genehmigte. Das BfS gab mit dieser Entscheidung zugleich Befürchtungen Auftrieb, daß Lubmin nun doch als Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus ganz Deutschland dienen werde. Die EWN versichern demgegenüber, daß momentan nur noch ein einziger Transport mit fünf Castor-Behältern geplant sei, der im Frühjahr stattfinden werde.

Das "Zwischenlager Nord" befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Kernkraftwerks Lubmin, das heute als Standort für konventionelle Kraftwerke und andere Zwecke dient (091207). Nach dem Ende der DDR wollten die KKW-Betreiber hier zunächst ein gesamtdeutsches Zwischenlager für radioaktive Abfälle errichten (910911). Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern genehmigte dann aber nur die Einlagerung von radioaktiven Hinterlassenschaften der DDR (911007). Bereits vor der Inbetriebnahme des Zwischenlagers im Jahr 1998 gab es Befürchtungen, daß es dabei nicht bleiben werde (930711).

Karlsruher Versuchsbrüter KNK war das Modell für Kalkar

Die Brennstäbe aus dem früheren Kernforschungszentrum Karlsruhe stammen vom Versuchsbrüter "Kompakte Natriumgekühlte Kernanlage", der als KNK-I bzw. KNK-II von 1977 bis 1991 in Betrieb war. Die von Siemens gelieferte Anlage hatte eine elektrische Leistung von 20 MW. Sie bildete die Forschungsbasis für den "Schnellen Brüter" in Kalkar mit einer Leistung von 280 MW, der aber nie in Betrieb ging, weil just im Jahr seiner Fertigstellung am 26. April 1986 die Katastrophe von Tschernobyl der bisherigen Verharmlosung der Kernkraft-Risiken ein Ende setzte. Da die gigantische Investitionsruine in Kalkar noch unverstrahlt war, konnte sie in einen Freizeitpark umgewandelt werden (951006). Der Versuchsbrüter KNK-II in Karlsruhe wurde dagegen erst im Sommer 1991 abgeschaltet. Das Kernforschungszentrum firmierte seit 1995 nur noch als "Forschungszentrum Karlsruhe". Inzwischen wurde es mit der Universität Karlsruhe zum "Karlsruher Institut für Technologie" vereinigt.

Atomfrachter "Otto Hahn" diente auch militärischen Ambitionen

Der Atomfrachter "Otto Hahn" wurde in den sechziger Jahren mit Zuschüssen aus dem Euratom-Programm gebaut. Auftraggeber war die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt mbH (GKSS) in Geesthacht. Der Frachter sollte die friedliche Nutzung der Kernenergie als Schiffsantrieb demonstrieren. Wahrscheinlich diente er aber auch dem Zweck, einen Antrieb für deutsche Atom-U-Boote zu entwickeln (der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß strebte sogar unverhohlen nach westdeutscher Verfügung über Atomwaffen). Nach seiner Stillegung im Jahre 1979 wurden der Reaktor und die Kernbrennstäbe zunächst auf dem GKSS-Gelände in Geesthacht eingelagert, das sich direkt neben dem Kernkraftwerk Krümmel befindet. Vor ein paar Monaten erfolgte dann der Transport der Brennstäbe nach Cadarache, um sie dort mit den Brennstäben aus Karlsruhe für den Transport nach Lubmin zu vereinigen.

Links (intern)