Juni 2011

110603

ENERGIE-CHRONIK


EEG-Novellierung führt "Marktprämie" für Direktvermarktung ein

Der Bundestag beschloß am 30. Juni das "Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien". Hauptbestandteil ist Artikel 1 mit der grundlegenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die Union und FDP in ihrer Koalitionsvereinbarung vorgesehen haben (091003). Bei den im Februar dieses Jahres (110201) sowie im Vorjahr (100701) erfolgten EEG-Novellierungen handelte es sich lediglich um vorgezogene punktuelle Änderungen, die wegen des Photovoltaik-Booms besonders eilbedürftig erschienen. Wichtigste Neuerung ist die Einführung einer "Marktprämie", die einen verstärkten Anreiz zur Direktvermarktung von EEG-Strom bieten soll.

Weitere Artikel des jetzt beschlossenen Gesetzes ändern die "Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus" (AusglMechV), die Ausführungsverordnung zu dieser Verordnung (100201), die Systemdienstleistungsverordnung (090507), die Biomasse-Verordnung (010520), die Biomasse-Nachhaltigkeitsverordnung (090613), das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (080601), das Energiewirtschaftsgesetz (110601), die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV), die Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (080601). Mit Ausnahme des Paragraphen 54 EEG (Stromkennzeichnung), der bereits ab 1. September dieses Jahres gilt, treten alle Änderungen zum 1. Januar 2012 in Kraft.

Eigenständiger Gesetzesteil zur Marktintegration der erneuerbaren Energien

Die Bundesregierung will mit der Novellierung vor allem "die Marktintegration der erneuerbaren Energien als neue Säule in das EEG aufnehmen" und eine "bedarfsgerechtere" Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien erreichen. Zu diesem Zweck wird ein eigenständiger Gesetzesteil zur Marktintegration der erneuerbaren Energien in das EEG aufgenommen (Teil 3a ). Neben den allgemeinen Bestimmungen zur Direktvermarktung (§§ 33a bis 33f EEG) enthält er als zentrale Neuerung die Einführung einer Marktprämie (§§ 33g, 33h EEG) sowie eine Flexibilitätsprämie für Biogas (§ 33i EEG).

Die "Marktprämie" soll die EEG-Anlagenbetreiber stimulieren, ihre Anlagen marktorientiert zu betreiben und den erzeugten Strom in stärkerem Maße direkt zu vermarkten (§ 33g EEG). Sie ergibt sich im wesentlichen aus der Differenz zwischen der anlagenspezifischen EEG-Vergütung und dem energieträgerspezifischen Referenzmarktwert einschließlich einer Managementprämie, durch die unter anderem die Kosten für den Ausgleich von Prognosefehlern ausgeglichen werden. Für große Biogasanlagen (ab 500 Kilowatt) wird sie ab 2014 verbindlich vorgeschrieben.

Die Flexibilitätsprämie fördert gezielt Investitionen in die Fähigkeit zur marktorientierten Stromerzeugung von Biogasanlagen (§ 33i EEG). Sie ermöglicht Investitionen in größere Gasspeicher und Generatoren, so dass eine Verschiebung der Stromerzeugung um etwa zwölf Stunden ermöglicht wird.

Einspeisemanagement wird auch für Solarstrom verpflichtend

Auch Photovoltaikanlagen unterliegen künftig dem Einspeisemanagement (§ 6 Absatz 1 bis 3 EEG). Sie müssen so beschaffen sein, daß der Netzbetreiber ihre Einspeiseleistung jederzeit ferngesteuert reduzieren kann. Bei Anlagen mit mehr als 100 Kilowatt muß der Netzbetreiber zudem die momentane Einspeisung abrufen können. Da das Einspeisemanagement für die Betreiber kleiner PV-Anlagen (<30 kW) zu aufwendig wäre, wird ihnen als Alternative anheim gestellt, die Einspeiseleistung am Netzanschlußpunkt auf 70 Prozent der Nennleistung zu begrenzen (§ 6 Absatz 2 EEG). Auf diese Weise soll einer Netzüberlastung durch die eher selten auftretenden Leistungsspitzen infolge voller Ausschöpfung der Nennleistung vorgebeugt werden.

Die bestehende Degressionsregelung für Photovoltaik ("atmender Deckel") wird mit einer halbjährlichen Anpassung beibehalten (§ 20a EEG). Die Eigenverbrauchsregelung wird für Anlagen mit einer Leistung bis 100 Kilowatt befristet fortgeführt (§ 33 Absatz 2). Freiflächenanlagen auf Konversionsflächen, die Nationalparks oder Naturschutzgebiete sind, erhalten keine Vergütung.

Abstriche bei Vergütungen für Wind und Biomasse

Bei Windenergie an Land wird Im Grundsatz die Vergütungsstruktur nach dem EEG 2009 fortgeführt, aber die Degression ab 2013 auf 1,5 Prozent erhöht (§ 20 EEG). Den Wunsch des Bundesrats nach einer Absenkung der Degression auf nur 1 Prozent will die Regierung lediglich "prüfen". Dagegen wird der Systemdienstleistungs-Bonus für Neuanlagen, der bisher befristet bis 31. Dezember 2013 galt und eigentlich bereits zum 1. Januar 2012 gestrichen werden sollte, auf Drängen des Bundesrats bis Ende 2014 gelten (§ 29 EEG). Der entsprechende Bonus für Bestandsanlagen wird bis 31. Dezember 2015 verlängert (§ 66 Absatz 1 Nummer 8 EEG). Der Repowering-Bonus wird begrenzt auf alte, netztechnisch problematische Anlagen, die vor 2002 in Betrieb genommen wurden; zudem müssen die Ersatzanlagen mindestens die zweieinhalbfache Nennleistung haben (§ 30 EEG).

Bei Windenergie auf See wird die sogenannte Sprinterprämie in die Anfangsvergütung integriert, der Degressionsbeginn von 2015 auf 2018 verschoben und im Gegenzug die Degression von 5 auf 7 Prozent erhöht. Ferner wird das sogenannte optionale Stauchungsmodell eingeführt (§§ 20, 31 EEG).

Bei Biomasse wird das Vergütungssystem mit vier leistungsbezogenen Anlagenkategorien (Grundvergütung zwischen 6 und 14,3 Cent/kWh) und zwei Einsatzstoffvergütungsklassen stark vereinfacht (§ 27 EEG). Gesonderte Vergütungen gibt es fortan für Bioabfallvergärungsanlagen mit nachgeschalteter Gärrestkompostierung zur Mobilisierung von Abfall- und Reststoffen (§ 27a EEG) sowie für kleine Gülleanlagen (§ 27b EEG). Ferner wird eine gestaffelte Zusatzvergütung für die Biomethaneinspeisung eingeführt (§ 27c Absatz 2 in Verbindung mit der Anlage 1 zum EEG). Die Degression steigt von 1 auf 2 Prozent (§ 20 EEG). Für Strom aus Biogas wird der Einsatz von Mais und Getreidekorn einschließlich Körnermais auf 50 Masseprozent begrenzt (§ 27 Absatz 5 Nummer 1 EEG); die Vergütung für die Altholzverbrennung und für flüssige Biomasse bei Neuanlagen wird gestrichen.

Zusätzlicher Anreiz für Geothermie

Bei der Geothermie werden Wärmenutzungs- und Frühstarter-Bonus in die Grundvergütung integriert, und diese wird zusätzlich um 2 Cent/kWh erhöht (§ 28 EEG). Der Technologie-Bonus für petrothermale Projekte wird ebenfalls erhöht. Der Beginn der Degression wird auf 2018 verschoben und die Degression zugleich auf 5 Prozent erhöht.

Bei der Wasserkraft wird die Vergütungsstruktur stark vereinheitlicht und die Degression abgeschafft (§ 23 EEG). Bestehende Speicher bzw. Speicherkraftwerke mit ausschließlich natürlichem Zufluss sind künftig ebenfalls künftig förderfähig, sofern sie modernisiert werden.

Bei Deponie-, Klär- und Grubengas wird der Technologie-Bonus für innovative Anlagentechnik gestrichen (§§ 24 bis 26 EEG).

Schwelle für "besondere Ausgleichsregelung" gesenkt - Grünstrom muß zu 30 Prozent fluktuierend sein

In den Genuß der besonderen Ausgleichsregelung kommen künftig auch kleinere und mittlere Unternehmen ab einem jährlichen Stromverbrauch von 1 GWh (bisher 10 GWh). Außerdem können die Unternehmen nun bereits ab einem Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung von 14 Prozent einen entsprechen Antrag stellen. Die zunehmenden Umgehungsversuche, etwa durch Contracting (100706), sollen durch §§ 40 ff. EEG unterbunden werden.

Das sogenannte Grünstromprivileg (110201) wird mit der Begrenzung auf 2 Cent/kWh fortgeführt (§ 39 EEG). Der Grünstrom muß jedoch zu mindestens 30 Prozent aus fluktuierender Erzeugung (Wind, Solar) stammen. Damit sollen Mitnahmeeffekte eingeschränkt werden, die sich etwa die Besitzer von Wasserkraftwerken zunutze machen konnten. Das ändert aber nichts daran, daß das Grünstromprivileg die EEG-Umlage zu Lasten der nicht-privilegierten Stromanbieter und deren Kunden in die Höhe treibt.

"Novellierung erhöht die jährlichen EEG-Differenzkosten um bis zu 900 Millionen Euro"

Die schwarz-gelbe Koalition ist sich bewußt, daß ihre "marktorientierte" Novellierung des EEG die Stromverbraucher noch mehr belasten wird: Aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen sei ein zusätzlicher Anstieg der jährlichen EEG-Differenzkosten um bis zu 900 Millionen Euro zu erwarten, heißt es in der Begründung ihres Gesetzentwurfs. Nach dem Jahr 2020 würden die Differenzkosten aber wieder abnehmen und ab etwa 2025 sogar geringfügig niedriger sein. Die von der besonderen Ausgleichsregelung begünstigten Unternehmen seien gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang betroffen.

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