Oktober 2011 |
111010 |
ENERGIE-CHRONIK |
Schon jetzt haben sich in etlichen EU-Ländern die Strompreise seit der "Liberalisierung" verdoppelt. Diese Grafik zeigt nur die prozentuale Veränderung der Nettopreise, d.h. ohne Steuern und andere staatlich verursachten Lasten, die in Deutschland besonders hoch sind und 2010 gut 41 Prozent der Haushaltsstromrechnung ausmachten. Nun will Brüssel bis 2030 nochmals für einen starken Preisschub beim Strom sorgen und die Energie-Kosten der Haushalte insgesamt verdoppeln. Der Klimaschutz dient dabei als Alibi für eine insgesamt fragwürdige Energiepolitik. |
Wenn es nach der EU-Kommission geht, werden die Energiekosten der privaten Haushalte im Jahr 2030 voraussichtlich bis zu 15 Prozent des Einkommens beanspruchen und sich damit verdoppeln: Derzeit sind es sieben bis acht Prozent. Allein die Strompreise sollen bis dahin – und das bereits inflationsbereinigt – nochmals um die Hälfte steigen. Dies ergibt sich aus dem internen Entwurf für ein Strategiepapier, mit dem die EU-Kommission ihre Energiepolitik bis zum Jahr 2050 abstecken will. Wie die "Frankfurter Allgemeine" am 25. Oktober weiter berichtete, soll das Papier bis Ende des Jahres vom zuständigen Energiekommissar Günther Oettinger offiziell vorgestellt werden.
Die Kommission begründet den enormen Anstieg der Energiekosten mit den geplanten Ausgaben für höhere Energieeffizienz, Umstellung auf erneuerbaren Energien und Ausbau der Energieinfrastrukturen. Sie legt dabei sieben verschiedene Szenarien zugrunde, denen mehr oder minder ehrgeizige Klimaschutzziele zugrunde liegen. Bei dieser Gelegenheit bricht sie wieder mal eine Lanze für die Kernenergie, indem sie vorrechnet, daß ein weitgehender Ausstieg aus der Kernenergie am teuersten käme. Ebenso enthalten die Szenarien ein verstecktes Plädoyer für die CCS-Technologie bzw. den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken.
Die FAZ (25.10.) meinte dazu: "Angesichts dieser Zahlen muß sich die EU fragen lassen, ob sie sich diese Klimaschutzpolitik überhaupt leisten will und kann. Davor aber drückt sich die EU-Kommission. Wie sich die Energiekosten ohne Klimaschutz entwickeln würden, hat sie vorsichtshalber nicht analysiert."
Vermutlich will die Kommission auch davon ablenken, daß sie grandios damit gescheitert ist, über die vor zwanzig Jahren eingeleitete "Deregulierung" und "Liberalisierung" der Energiemärkte (911010) mehr Wettbewerb in diesem Sektor und damit Preissenkungen zu erzielen. Im Unterschied zum ebenfalls deregulierten Kommunikationssektor, wo die Preise für Telefonate etc. auch aufgrund technologischer Fortschritte enorm gefallen sind, bewegten sich die Strompreise in den EU-Staaten nach der Liberalisierung unaufhaltsam nach oben (siehe Grafik). Wenn die EU-Kommission nunmehr den Verbrauchern nochmals eine Verdoppelung des bereits erreichten hohen Standes zumuten will, wirkt das geradezu absurd angesichts der ursprünglichen Verheißungen. Die von der Kommission vorgelegten Papiere vermengen die enormen finanziellen Belastungen, die ihre Deregulierungspolitik im Energiesektor zur Folge hatte, mit den neuen Erfordernissen, die sich aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien, mehr oder minder sinnvollen Bemühungen um Energieeffizienz und hochgesteckten Klimaschutzzielen ergeben.