November 2011 |
111104 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die deutschen Betreiber von Kraftwerken und Netzen verlangen neuerdings die Subventionierung von Teilbereichen ihrer geschäftlichen Tätigkeit. Sie begründen den Ruf nach staatlicher Unterstützung damit, daß die durch die Vernachlässigung der Netzinfrastruktur entstandenen Probleme sonst nicht lösbar seien, weil sich die notwendigen Maßnahmen nicht rentieren würden. Konkret geht es vor allem um den Bau zusätzlicher Gaskraftwerke für den erhöhten Regelbedarf, der sich aus der fluktuierenden Einspeisung aus erneuerbaren Energien ergibt, und die Netzanbindung der in der Nordsee entstehenden Offshore-Anlagen.
Schützenhilfe bekam die Gas-Kraftwerkslobby durch die "Klima-Allianz Deutschland", in deren Auftrag das "arrhenius Institut für Energie- und Klimapolitik" am 17. Oktober eine Studie vorlegte: Demnach sind Gaskraftwerke "die prädestinierten Partner der erneuerbaren Energien für die künftige Stromversorgung in Deutschland". Sie müßten allerdings "die Ergänzung der erneuerbaren Energien bilden und nicht umgekehrt", indem sie lediglich die erforderliche positive Regelleistung bereitstellen. Dann wäre aber die Anzahl der Betriebsstunden zu gering, um die Rentabilität der Anlagen sicherzustellen. Man müsse deshalb neue Anreize für Investoren schaffen, etwa durch "Kapazitätsprämien oder eine Pflicht zur Reservehaltung auf der Ebene der Netzbetreiber". Die Klima-Allianz ist ein 2007 gegründetes Bündnis aus über 110 Organisationen, das sich unter anderem vehement gegen den Bau von neuen Kohlekraftwerken wendet.
Der Bundesverband Neuer Energieanbieter e.V. (bne) stellte bereits am 7. September eine Studie vor, derzufolge sich der notwendige Neubau von schnell regelbaren Gaskraftwerken nicht rechnet und deshalb besondere Prämien für die Betreiber erforderlich sind. Die vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET) GmbH erstellte Studie schlägt vor, die für die Regelung erforderlichen Kapazitäten in einer Auktion auszuschreiben und den Zuschlag demjenigen zu erteilen, der die niedrigste Prämie verlangt.
Die Bundesnetzagentur hält es in ihrem "Monitoringbericht 2011" (111116) ebenfalls für fraglich, "ob die Märkte auch in Zukunft ausreichende Signale für die Investition in konventionelle Kraftwerke geben". Der Ausbau der erneuerbaren Energien werde voraussichtlich deren Laufleistung verringen. Dies gefährde die Rentabilität und damit die Errichtung neuer Anlagen. Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt würden sich deshalb weiter an der "Diskussion über eine mögliche Einführung von sogenannten Kapazitätsmärkten" beteiligen.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat bereits seine Bereitschaft bekundet, sogar den Bau neuer Kohlekraftwerke zu fördern, um die durch den Ausstieg aus der Atomenergie entstehende Erzeugungslücke zu schließen. Das von ihm gegründete "Kraftwerksforum" diskutierte auf seiner ersten Sitzung im September 2011 ein entsprechendes Kraftwerksförderprogramm, das den Bau "hoch effizienter und flexibler fossiler Kraftwerke" mit Investitionskostenzuschüsse aus dem Energie- und Klimafonds vorsieht. Bis zu 15 Prozent der Baukosten würden so vom Staat getragen. Allerdings soll das Programm auf Kraftwerksbetreiber mit einem Marktanteil von weniger als fünf Prozent beschränkt werden, um die Wettbewerbssituation von Stadtwerken und anderen kleineren Anbietern zu verbessern.
Teilnehmer am "Kraftwerksforum" sind neben den Ministerien für Wirtschaft und Umwelt die Bundesnetzagentur sowie Vertreter von Ländern und Verbänden. Die nächste Tagung soll im Frühjahr stattfinden. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der in diesem Gremium die Kraftwerkslobby vertritt, wandte sich Anfang November gegen die Beschränkung des Förderungsprogramms auf kleinere Anbieter. "Die Branche ist sich einig in der Auffassung, daß die Fünf-Prozent-Klausel nicht zielführend ist", sagte BDEW-Chefin Hildegard Müller dem "Handelsblatt". Die Branche hält es demnach für zweifelhaft, daß das Programm tatsächlich Stadtwerken und Regionalversorgern helfen werde, ihre Position im Stromerzeugungsmarkt zu stärken. Stattdessen sei zu befürchten, daß finanzkräftige Konzerne aus dem Ausland in den deutschen Markt einsteigen.
In der Tat ließe sich die Förderung nicht auf deutsche Unternehmen beschränken. Darauf achtet schon die EU-Kommission, die das Förderprogramm zu genehmigen hat, damit es nicht als verbotene Beihilfe gilt. Ein Wegfall der Beschränkung ändert daran freilich nichts. Er würde nur dazu führen, daß hauptsächlich in- und ausländische Konzerne von den Subventionen profitieren.
Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT ruft ebenfalls nach Staatshilfe. Wie er am 14. November mitteilte, hat er entsprechende Schreiben an das Bundeskanzleramt, das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesumweltministerium geschickt. Darin behauptet er, seinen Verpflichtungen als Netzbetreiber unter den bisherigen Umständen nicht weiter nachkommen zu können. Wegen der "fehlenden personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen aller Beteiligter" sei die Errichtung von Anschlußleitungen für Offshore-Windparks in der Nordsee "in der bisherigen Geschwindigkeit und Form nicht länger erstrebenswert und möglich". Es würden nur noch solche Anschlußprojekte unverändert durchgeführt, für die bereits die Aufträge vergeben wurden.
TenneT jammert nicht nur über die angeblich unzureichenden "finanziellen Ressourcen aller Beteiligter", sondern verlangt auch "grundlegende Änderungen des Rechtsrahmens". Dieser müsse "substantiell nachgebessert werden", um beispielsweise den Leitungsbau an Land so schnell vorantreiben zu können wie die Anbindung der Offshore-Anlagen. Die Bundesregierung sei gebeten worden, in diesem Sinne auf die Bundesnetzagentur einzuwirken.
Die Tennet TSO GmbH betreibt seit 2010 das frühere Übertragungsnetz der E.ON Netz GmbH (091101) und ist Nachfolgerin der Transpower Stromübertragungs Gmbh (091005). Sie gehört dem staatlichen niederländischen Netzbetreiber TenneT. Da beide Netzgebiete im Emsland aneinander grenzen, bezeichnet sich Tennet als "ersten grenzüberschreitenden Übertragungsnetzbetreiber für Strom in Europa".