Juli 2012

120711

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Der Anteil der Biomasse an der gesamten deutschen Stromerzeugung hat sich durch die EEG-Förderung binnen zehn Jahren bis 2011 fast verzehnfacht. Bei Beachtung des Gebots der Nachhaltigkeit ist er aber nur sehr bedingt weiter vermehrbar.

Quelle: BMWi/Energie-Daten

Biomasse kann nur beschränkt als erneuerbare Energiequelle dienen

Aus Biomasse gewonnene Energie kann als nachhaltige Energiequelle für Deutschland heute und in Zukunft keinen quantitativ wichtigen Beitrag zur "Energiewende" leisten. Zu diesem Schluß gelangt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer Stellungnahme, die sie am 24. Juli veröffentlichte. Im Vergleich mit anderen erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaik, Solarthermie und Windkraft verbrauche Bioenergie mehr Fläche und sei häufig mit höheren Treibhausgasemissionen und Umweltbeeinträchtigungen verbunden. Zudem konkurriere Bioenergie potentiell mit der Herstellung von Nahrungsmitteln.

Deutschland solle deshalb nicht den weiteren Ausbau von Bioenergie anstreben, empfiehlt die Arbeitsgruppe "Bioenergie" der Leopoldina in ihrer Stellungnahme, mit der sie "Parlamenten, Ministerien, Verbänden und Unternehmen eine fundierte und unabhängige Hilfestellung" bieten möchte. Insbesondere müsse das EU-2020-Konzept überdacht werden, das darauf abzielt, möglichst 10 Prozent des Treibstoffes für Transportzwecke aus Biomasse bereitzustellen (070204). Stattdessen solle sich Deutschland auf andere erneuerbare Energieressourcen sowie vorrangig auf die Einsparung von Energie und die Verbesserungen der Energieeffizienz konzentrieren.

Auch pflanzliche Reste müssen zum Teil auf den Böden verbleiben

Die Förderung von Bioenergie habe sich auf Formen zu beschränken, die weder zur Verknappung von Nahrungsmitteln führen noch deren Preise durch Wettbewerb um Land und Wasser in die Höhe treiben. Die Nutzung pflanzlicher Reste wie Stroh müsse so begrenzt werden, daß genügend Biomasse auf den Feldern verbleibt, um die Bodenfunktionen zu erhalten. Derzeit verlören Ackerböden in Europa in zu großem Maße den für den Erhalt ihrer Fertilität notwendigen Kohlenstoff. Bei der Bewertung von klimaschädlichen Emissionen im Zusammenhang mit der Erzeugung von Bioenergie müßten alle Treibhausgase (Kohlendioxid, Stickoxide und Methan) einbezogen werden, die aus der Verwendung von Düngemitteln und aus dem Verbrauch fossiler Brennstoffe bei der Produktion und Konversion von Biomasse und durch Einsatz der menschlichen Arbeitskraft resultieren.

Erzeugung von Bioethanol und Biogas darf ökologische Risiken nicht ausblenden

Dem systematischen Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung in Form von Bioethanol, Biogas oder Strom, wie ihn etwa der Journalist Franz Alt in seinem Bestseller "Schilfgras statt Atom" propagiert hat, vermögen die Wissenschaftler der Leopoldina überhaupt nichts abzugewinnen. Die Produktion von Bioethanol aus Stärke oder Zucker, die primär als Lebensmittel dienen, sei für Deutschland wegen der damit verbundenen klimarelevanten und ökologischen Folgen nicht zu empfehlen. Gleiches gelte für Importe: Auch hier müßten die mit der Produktion von Biomasse im Herkunftsland verbundenen Treibhausgas-Emissionen mitberücksichtigt werden. Die Produktion von Biogas aus "Energiepflanzen" sei nur insoweit sinnvoll, als sie dazu beiträgt, die Biogasproduktion aus Agrarabfällen und den fluktuierenden Energiebedarf zu stabilisieren und zu optimieren.

Die Stellungnahme wurde von der 2010 eingesetzten Arbeitsgruppe "Bioenergie" erstellt, in der mehr als 20 Wissenschaftler mitwirken. Als Koordinatoren der Arbeitsgruppe fungieren Prof. Dr. Bärbel Friedrich (Humboldt-Universität, Institut für Biologie, Berlin), Prof. Dr. Bernhard Schink (Universität Konstanz, Lehrstuhl für Limnologie und mikrobielle Ökologie) und Prof. Dr. Rudolf K. Thauer (Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg).

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