September 2013

130904

ENERGIE-CHRONIK


Neugründung von Stadtwerken bietet auch wirtschaftlich Chancen

Seit 2005 entstanden in Deutschland 72 neue Stadt- und Gemeindewerke im Strombereich. Während es in den ersten drei Jahren insgesamt nur sechs Neugründungen gab, waren es allein im vergangenen Jahr 21. Die Kommunen wollen so den umwelt- und klimafreundlichen Umbau der örtlichen Energieversorgung voranbringen. Aber auch wirtschaftlich ist die Rekommunalisierung der Stromversorgung ein aussichtsreiches Konzept, wenn sie mit der gebotenen Umsicht angegangen wird. Die kommunalen Entscheidungsträger sollten sich deshalb von Kritikern der Rekommunalisierung und entsprechend negativen Expertisen nicht vorschnell entmutigen lassen, sondern ihre Vorhaben konsequent weiter verfolgen. Zu dieser Empfehlung gelangt die Studie "Stadtwerke-Neugründungen und Rekommunalisierungen – Energieversorgung in kommunaler Verantwortung", die das Wuppertal-Institut im September vorlegte. Mit der Studie will das Institut vor allem ehrenamtliche Kommunalpolitiker in die Lage versetzen, "auf Basis wichtiger Grundkenntnisse und Erfahrungen anderer Städte und Gemeinden eine im Sinne des Gemeinwohls ihrer eigenen Gemeinde fundierte Diskussion führen und Entscheidungen treffen zu können".

Stadtwerke-Neugründungen 2005 bis 2012

Die 72 Neugründungen entstanden fast nur in den alten Bundesländern, und auch hier sind sie recht ungleichmäßig verteilt.


70 Prozent der Neugründungen entfallen auf drei der 16 Bundesländer

Die Studie hat zwei inhaltliche Schwerpunke: Der eine ist eine Bestandsaufnahme der von 2005 bis 2012 neu gegründeten Stadtwerke. Der zweite gilt der Frage, inwieweit die zehn wichtigsten Ziele von Rekommunalisierungen erreicht werden können.

Die 72 Neugründungen entfallen zu rund 70 Prozent auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Führend ist Baden- Württemberg mit 33,3 Prozent, gefolgt von NRW mit 19,4 Prozent, Niedersachsen mit 16,6 Prozent, Bayern mit 13,9 Prozent und Schleswig-Holstein mit 8,3 Prozent. In Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen- Anhalt, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gab es im Betrachtungszeitraum nur jeweils eine Neugründung. Keinerlei Veränderung wurde in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Saarland und Thüringen festgestellt. Das deutliche West-Ost-Gefälle ist nach Ansicht des Instituts vor allem darauf zurückzuführen, daß es in den neuen Bundesländern bereits vor zwanzig Jahren wegen des damals erzielten "Stromkompromisses" (921201, 930702) zu einem Gründungs- und Rekommunalisierungsschub kam.

In neun "Clustern" sind die Kommunen besonders aktiv

Auffallend ist ferner die regionale Häufung von Neugründungen. Die Studie hat insgesamt neun solcher "Cluster" festgestellt. An der Spitze liegt wiederum Baden-Württemberg, wo in den Regionen um Stuttgart, im südlichen Schwarzwald und am Bodensee die Kommunen besonders aktiv sind. Eine Erklärung dafür könnte die Vorreiter- und Vorbildrolle einzelner Gemeinden sein, wie sie in Baden-Württemberg Schönau oder Schwäbisch Hall einnehmen.

Anlaß der Neugründungen war meistens das Auslaufen der alten Konzessionsverträge. Da bis 2016 zahlreiche weitere Konzessionen enden, ist deshalb mit einem Andauern der Gründungswelle zu rechnen. Neben umwelt- und wirtschaftspolitischem Ehrgeiz spielt häufig eine Rolle, daß die alten Konzessionäre das Verteilnetz nicht so gewartet und modernisiert haben, wie dies aus Sicht der Kommunen angebracht und notwendig gewesen wäre.

GmbH ist die Regel – Eigenbetriebe gibt es nur noch selten

Bevorzugte Rechtsform der Neugründungen ist die GmbH mit 67 Prozent, gefolgt von der GmbH & Co. KG mit 25 Prozent. Eigenbetriebe und selbständige Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts (KU) – eine bayerische Sonderform des kommunalen Eigenbetriebs – sind nur mit jeweils 4 Prozent vertreten. Im Gegensatz zum Eigenbetrieb verfügt die GmbH über eine eigene Rechtspersönlichkeit, unterliegt nicht der kameralistischen Buchhaltung und haftet – unabhängig vom Vermögen von der Kommune – nur mit ihrem Stammkapital. Außerdem ermöglicht sie die kapitalmäßige Beteiligung Dritter (etwa strategischer Partner) an der Unternehmung.

Von den 72 Kommunen und Gemeindeverbünden, die neue Stadtwerke gründeten, verfügen nur vier über mehr als 100.000 Einwohner. Am stärksten vertreten ist mit 26 Unternehmen die Größenklasse zwischen 10.000 und 25.000 Einwohner, gefolgt von 19 Unternehmen der Größenklasse zwischen 25.000 und 50.000 Einwohner. In 16 Fällen liegt die Einwohnerzahl unter 25.000. Würde man allerdings alle Einzelgemeinden mitzählen, die an Gemeindeverbünden beteiligt sind, ergäbe sich in den beiden untersten Kategorien eine deutlich höhere Anzahl. Das zeigt, daß gerade in kleineren Gemeinden die Kommunalisierung der Stromversorgung als interessante Option gesehen wird.

Experten halten alle Ziele der Rekommunallisierung für erreichbar

Im zweiten Schwerpunkt, der Einschätzung der Zielerreichbarkeit, untersuchte das Wuppertal Institut die zehn wichtigsten Ziele von Rekommunalisierungen im Energiebereich. Alle Ziele werden als erreichbar eingestuft. So eröffne sich durch eigene Stadtwerke die Chance, örtliche Energieeffizienzpotenziale im Strom und Wärmebereich besser auszuschöpfen, erneuerbare Energien forcierter im Gemeindegebiet zu nutzen und den Ausbau dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung schneller voranzutreiben. Auch die damit verbundenen wirtschaftlichen und fiskalischen Ziele seien für die Kommunen erreichbar. Das Institut stützt sich bei diesen Einschätzungen auf Bewertungen von sechs fachlich ausgewiesenen Experten aus dem Wissenschafts- und Praxisbereich (Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup, Prof. Dr. Felix Ekardt, Prof. Dr. Peter Hennicke, Dr. Reinhard Klopfleisch, Prof. Dr. Uwe Leprich und Prof. Dr. Hermann Zemlin).

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