Oktober 2014 |
141020 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Kommission genehmigte am 8. Oktober die massive Subventionierung des Baues von zwei neuen Atomkraftwerken in Großbritannien. Es handelt sich um die beiden EPR-Reaktoren am Standort Hinkley Point, die mit einer Leistung von jeweils 1600 MW bis 2023 ans Netz gehen sollen (131009). Das Projekt wird im wesentlichen durch die französische Nuklearindustrie finanziert und realisiert, indem die Electricité de France (EDF) 45 bis 50 Prozent und der Nuklearkonzern Areva 10 Prozent der Anteile übernimmt. Als Minderheitspartner sind die chinesischen Staatskonzerne China General Nuclear Corporation (CGN) und China National Nuclear Corporation (CNNC) vorgesehen.
Da der erzeugte Atomstrom in keiner Weise konkurrenzfähig wäre, hat die konservative britische Regierung den ausländischen Investoren für 35 Jahre einen Garantiepreis für die Abnahme versprochen, der sich unter Berücksichtigung der Geldentwertung erhöht. Mit 92,50 Pfund pro Megawattstunde ist er etwa doppelt so hoch wie der derzeitige Großhandelspreis für Strom. Die damit gewährte Subvention von fast 11 Cent pro Kilowattstunde ist so hoch wie die Einspeisungsvergütung, die gegenwärtig in Deutschland dem Betreiber einer Solar-Dachanlage mit einer Nennleistung bis zu 500 Kilowatt gezahlt wird (141007). Sie wird sich im Laufe der Jahre zu einer Summe in zweistelliger Milliardenhöhe addieren.
Die Baukosten der beiden EPR-Reaktoren in Hinkley Point wurden zunächst mit insgesamt 16 Milliarden Pfund beziffert, was rund 18,9 Milliarden Euro entsprach (131009). Tatsächlich dürften sie ungefähr doppelt so hoch sein. Die EU-Kommission, die das Projekt seit Ende letzten Jahres einer "vertieften Prüfung" unterzog, beziffert die reinen Baukosten mit 24,5 Milliarden Pfund bzw. 31,2 Millionen Euro. Die Gesamtkosten schätzt sie sogar auf 34 Milliarden Pfund bzw. 43 Milliarden Euro. Darin inbegriffen sind dann Baukosten, Betriebskosten, Abfallbehandlung und Außerbetriebnahme.
Die Genehmigung der verlangten Subventionen durch die Kommission kam mit denkbar knapper Mehrheit zustande. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) kündigten hinterher an, daß Österreich den Beschluß vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anfechten werde. "Hinkley Point ist ein negativer Präzedenzfall weil garantierte Einspeisetarife bisher erneuerbaren Energieformen vorbehalten waren", erklärten sie. Der positive Bescheid der Kommission sei weder ökonomisch noch ökologisch zu rechtfertigen.
Auf der Baustelle im finnischen Olkiluoto, wo sich die Fertigstellung des EPR-Reaktors um mindestens neun Jahre verzögern und die Baukosten fast verdreifachen werden (140906), beharken sich unterdessen die Auftraggeber und das Konsortium Areva/Siemens weiter mit Schadenersatzansprüchen. Am 21. Oktober teilten die Finnen mit, daß sie ihre Forderungen an die Lieferanten von 1,8 auf 2,3 Milliarden Euro erhöhen wollen. Areva und Siemens erhöhten darauf am 23. Oktober ihr Forderungen an die Auftraggeber von 1,9 auf 3,5 Milliarden Euro. Der Streit wird seit sechs Jahren vor der Internationalen Handelskammer (ICC) ausgetragen.