Oktober 2013

131009

ENERGIE-CHRONIK


Britische Regierung lockt Franzosen und Chinesen mit hohen Subventionen für Atomstrom

Die britische Regierung hat einen neuen Vorstoß unternommen, um den seit fast zwanzig Jahren ruhenden Bau von Atomkraftwerken wieder in Gang zu bringen: Am 21. Oktober veröffentlichte sie gemeinsam mit der britischen Tochter des französischen Staatskonzerns Electricité de France (EDF) eine Absichtserklärung zur Errichtung von zwei neuen KKW-Blöcken des Typs EPR am Standort Hinkley Point, die mit einer Leistung von jeweils 1600 MW bis 2023 ans Netz gehen sollen. Das Projekt soll im wesentlichen durch die französische Nuklearindustrie finanziert und realisiert werden, indem die EDF 45 bis 50 Prozent und der Nuklearkonzern Areva 10 Prozent der Anteile übernimmt. Als Minderheitspartner sind die chinesischen Staatskonzerne China General Nuclear Corporation (CGN) und China National Nuclear Corporation (CNNC) vorgesehen.

Da sich die Errichtung von Atomkraftwerken wirtschaftlich nicht lohnt, wird den ausländischen Investoren für 35 Jahre ein Garantiepreis für die Abnahme des Stroms versprochen, der sich unter Berücksichtigung der Geldentwertung erhöht. Mit 92,50 Pfund pro Megawattstunde ist er etwa doppelt so hoch ist wie der derzeitige Großhandelspreis für Strom. Die Subventionierung verringert sich geringfügig auf 89,50 Pfund/MW, falls es außerdem am Standort Sizewell, den EDF vor fünf Jahren mit der "British Energy" übernommen hat (080903), zur Errichtung eines EPR kommt. Damit sollen Synergie-Effekte berücksichtigt werden.

Die Baukosten der beiden EPR-Reaktoren in Hinkley Point werden mit insgesamt 16 Milliarden Pfund beziffert, was rund 18,9 Milliarden Euro entspricht. Sie sind damit noch etwas höher als beim Bau des ersten französischen EPR in Flamanville, wo die Kosten, die zunächst auf 3,3 Milliarden Euro geschätzt wurden, inzwischen auf 8,5 Milliarden gestiegen sind. Der italienische Energiekonzern Enel hatte diese Kostenexplosion Ende 2012 zum Anlaß genommen, um seine Beteiligung an der französischen Atomstromerzeugung (071207) nach fünf Jahren wieder aufzukündigen (130207).

Mit den chinesischen Minderheitspartnern ist die französische Nuklearindustrie seit sechs Jahren geschäftlich verbandelt: Damals vereinbarte der französische Präsident Sarkozy bei einem Besuch in China die Errichtung von zwei EPR-Reaktoren am Standort Taishan, die sich derzeit im Bau befinden (071112). Sie verfügen über eine Nettoleistung von jeweils 1660 MW und sollen bis 2015 ans Netz gehen.

England setzt weiter auf Kernkraftwerke, kann sie aber nicht mehr selber bauen

Großbritannien war einst Vorreiter bei der Errichtung von Kernkraftwerken und nahm 1956 mit Calder Hall 1 (49 MW) den ersten Reaktor der westlichen Welt in Betrieb. Im Gegensatz zu Deutschland ist auf der Insel der Atomstrom parteiübergreifend noch immer unumstritten. Im Zuge seiner neoliberal indoktrinierten Wirtschaftspolitik ist dem Land aber neben anderen industriellen Ressourcen die Fähigkeit abhanden gekommen, den Bau von Kernkraftwerken technisch selber zu bewältigen. Großbritannien hat sich deshalb stark an die französische Nuklearwirtschaft angelehnt: Im Juni 2006 vereinbarten der damalige Premier Tony Blair und der französische Präsident Jacques Chirac die Gründung eines französisch-britischen Atomforums (060705). Vor eineinhalb Jahren haben die Nachfolger David Cameron und Nicolas Sarkozy diese Bündnis bekräftigt (120304).

Neben der französischen Atomindustrie sollten vor allem E.ON und RWE für die Errichtung und den Betrieb neuer Kernkraftwerke in Großbritannien sorgen (090103). Über das Gemeinschaftsunternehmen "Horizon Nuclear Power" wollten die beiden deutschen Energiekonzerne bis 2025 rund 16 Milliarden Euro investieren, um vier Reaktoren mit einer Leistung von insgesamt 6000 MW zu errichten. Der atompolitische Kurswechsel der Bundesregierung nach der Katastrophe von Fukushima veranlaßte sie jedoch zum Rückzug (120304). "Horizon Nuclear Power" wurde daraufhin vom japanischen Hitachi-Konzern übernommen (121015).

Am 17. Oktober unterzeichnete der britische Finanzminister George Osborne bei einem Staatsbesuch in China auch mit der dortigen Regierung eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zivilen Nukleartechnik. Sie flankierte die Vereinbarung mit der EDF, die vier Tage später veröffentlicht wurde. Osborne erklärte bei diesem Anlaß, daß zu einem späteren Zeitpunkt sogar chinesische Mehrheitsbeteiligungen an britischen Atomkraftwerken vorgesehen seien.

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