Dezember 2015

151201

ENERGIE-CHRONIK


Die gestoppten Strommengen aus EEG-Anlagen und damit verbundenen Entschädigungen nahmen bereits 2014 gewaltig zu. Nun droht in diesem Jahr nochmals eine Verdoppelung und Verdreifachung. Dies lassen die Zahlen für die ersten sechs Monate erahnen, die auf dieser Grafik ganz oben zu sehen sind. Der weitaus größte Teil der Ausfallarbeit besteht aus Windstrom (blau), gefolgt von Photovoltaik (gelb) und Biomasse (grün). In den Zahlen mitenthalten sind Wasserkraft-, Deponie-, Klär- & Grubengas- sowie KWK-Anlagen. Deren Anteile an der Ausfallarbeit sind aber so gering, daß sie optisch nicht in Erscheinung treten. Bei den Entschädigungszahlungen wurde von 2009 bis 2012 (hellblau) nicht nach EEG-Quellen differenziert. Es handelte sich aber zu fast hundert Prozent um Vergütungen für Windstrom, wie aus den Mengenangaben links hervorgeht.

Kosten zur Sicherung der Netzstabilität sind 2015 explodiert

Die Kosten für die Aufrechterhaltung der Netzstabilität sind 2015 regelrecht explodiert. Allein im ersten Halbjahr wurde fast soviel EEG-Strom abgeregelt wie im ganzen Jahr 2014. Die dadurch verursachten Entschädigungszahlungen übertrafen sogar die Gesamtsumme des Vorjahres, und das gleich ganz erheblich (siehe Grafik). Auch die Kosten für den "Redispatch" mittels konventioneller Kraftwerke sind enorm gestiegen: Schon im ersten Halbjahr 2015 lagen sie um mehr als dreißig Prozent über den gesamten Aufwendungen des Vorjahres. Dies ergibt sich aus dem "Quartalsbericht zu Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen", den die Bundesnetzagentur am 7. Dezember für das erste und zweite Vierteljahr 2015 veröffentlichte.

Ausfallarbeit und Redispatch könnten dreimal so teuer kommen wie 2014

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Diese Karte veranschaulicht die strombedingten Redispatchmaßnahmen, die im ersten Quartal 2015 erforderlich wurden. Größter Engpaß war die Leitung Remptendorf - Redwitz, welche die Regelzone von 50Hertz mit Süddeutschland verbindet (1). An zweiter Stelle folgten die Leitungen, die im Osten dieser Regelzone bei Vierraden den (Wind-)Strom über die Grenze nach Polen transportieren (3).

Im ersten Halbjahr 2015 haben die Netzbetreiber insgesamt 1464 Gigawattstunden (GWh) Strom aus EEG-Anlagen gestoppt. Das waren 92,6 Prozent der der Ausfallarbeit des gesamten Vorjahres. Die dadurch ausgelösten Entschädigungszahlungen an die Anlagenbetreiber beliefen sich auf 149,2 Millionen Euro. Schon in den beiden ersten Quartalen wurden somit die Gesamtkosten des Vorjahres um 80 Prozent übertroffen. Hochgerechnet auf das ganze Jahr wäre somit eine Verdreifachung oder gar Vervierfachung der Kosten möglich.

Die Redispatch-Maßnahmen erreichten einen Umfang von 5.253 GWh. Damit wurde schon im ersten Halbjahr 2015 die Vorjahres-Strommenge von 5.197 GWH erreicht und überschritten. Noch stärker war der Anstieg der Kosten: Von 187 Millionen Euro für das gesamte Jahr 2014 auf schätzungsweise 253 Millionen Euro für das erste Halbjahr 2015. Aufs ganze Jahr hochgerechnet bedeutet das eine Verdoppelung oder Verdreifachung.

Hälfte aller Redispatch-Maßnahmen entfiel auf einen Engpaß

Den mit Abstand ärgsten Engpaß im deutschen Stromnetz bildet zur Zeit noch die Leitung Remptendorf - Redwitz. Auf sie entfielen im ersten Quartal 2015 rund die Hälfte aller Resdispatch-Maßnahmen (siehe Karte). Wegen der Stillegung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld (150606) dürfte sie im zweiten Halbjahr noch stärker strapaziert worden sein. Abhilfe ist freilich bereits in Sicht, da in Kürze die "Thüringer Strombrücke" (130703) vollendet sein wird. Der erste Abschnitt dieser von Thüringen nach Bayern führenden "Südwestkuppelleitung" (Bad Lauchstädt - Vieselbach) ist seit sieben Jahren fertig. Im Juli dieses Jahres ging auch der zweite Abschnitt (Vieselbach - Altenfeld) in Betrieb. Der dritte Abschnitt (Altenfeld - Redwitz) wird voraussichtlich in den ersten Monaten des Jahres 2016 vollendet und kann damit die 380-kV-Leitung zwischen Remptendorf und Redwitz entlasten.

Im Frühjahr mußte zweimal die Netzreserve mobilisiert werden

Ferner ist dem Bericht zu entnehmen, daß im Frühjahr 2015 zweimal die Netzreserve eingesetzt werden mußte. Am 16. März erforderte eine hohe Windstromeinspeisung in der Regelzone von 50Hertz die Mobilisierung einer Leistung von knapp 1.600 MW. Eine zweite kritische Situation mit hoher Windstromeinspeisung entstand zwischen dem 30. März und dem 2. April durch das Orkantief Niklas. Hier wurden Netzreserven mit einer maximalen Gesamtleistung von 4.369 MW erforderlich.

Kraftprobe mit dem Betreiber eines Pumpspeicherkraftwerks

Am 7. April 2015 kam es laut dem Bericht zum Konflikt mit dem Betreiber eines Pumpspeicherkraftwerks (offenbar Vattenfall), der vom zuständigen Netzbetreiber (offenbar 50Hertz) zur Reduzierung oder Einstellung seiner Pumpleistung aufgefordert worden war, um die Überlastung eines 380-kV-Stomkreises (offenbar Remptendorf - Redwitz) und damit eine Gefährdung der Netzsicherheit zu verhindern. Der Netzbetreiber stützte sein Verlangen auf den § 13 Abs. 1a EnWG, der Kraftwerksbetreiber verpflichtet, eine solche Redispatch-Anweisung gegen angemessene Vergütung zu befolgen. Der Betreiber weigerte sich aber, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf am 28. April dieses Jahres entschieden hat, daß der Stromverbrauch von Pumpspeicherkraftwerken nicht unter diese Regelung fällt. Der Übertragungsnetzbetreiber zog daraufhin gewissermaßen die Notbremse, indem er nach § 13 Abs. 2 EnWG die Anweisung erteilte, den Pumpbetrieb für etwa zwei Stunden zu unterbrechen. Diese Anweisung mußte der Kraftwerksbetreiber in jedem Falle befolgen. Zudem mußte er nun auf die Entschädigung verzichten, die ihm sonst für den Redispatch von 550 Megawattstunden zugestanden hätte.

"Erhöhtes Gefahrenpotential" auch für die Strompreise

Bereits 2014 hatte die Abregelung von EEG-Strom um 185 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen, wodurch die Entschädigungszahlungen an die Anlagenbetreiber um 90 Prozent stiegen. Das ging aus der Auswertung "EEG-in-Zahlen" hervor, welche die Bundesnetzagentur im November vorlegte (151109). Zugleich hatten die Netzbetreiber mitgeteilt, daß sie vom 9. bis zum 19. November täglich die Netzreserve einsetzen mußten, um eine Überlastung der nach Süden führenden Stromverbindungen durch den im Norden erzeugten Windstrom zu verhindern (151104). Sie sahen zwar die Versorgungssicherheit noch nicht akut gefährdet, aber ein "erhöhtes Gefahrenpotential".

Der nunmehr vorliegende Bericht der Regulierungsbehörde für das erste Halbjahr 2015 verstärkt den Eindruck, daß sich dieses erhöhte Gefahrenpotential nur noch zu unzumutbaren Kosten technisch beherrschen läßt. Denn sowohl die Entschädigungszahlungen für den abgeregelten EEG-Strom als auch die Kosten für den "Redispatch" und die Netzreserve gehen in die Netzentgelte ein und belasten letztendlich die Strompreise.

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