Januar 2016 |
160102 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die geplante Umstellung der EEG-Förderung auf Ausschreibungen erstreckt sich zwar nur auf Windkraft- und Solaranlagen, erfaßt aber schon damit rund siebzig Prozent der Fördersumme (links) und der damit erzeugten Strommenge (rechts). Möglicherweise gibt es zusätzlich noch Ausschreibungen für solche Biomasse-Bestandsanlagen, bei denen die Förderung ab 2020 schrittweise ausläuft. Ansonsten gelten die bisherigen Förderbestimmungen nur noch für den kleinen Rest an anderen erneuerbaren Energien sowie für kleine Windkraft- und Solaranlagen mit einer Nennleistung bis zu 1000 Kilowatt. |
Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an einer weiteren EEG-Novellierung, mit der die Förderung der erneuerbaren Stromquellen gemäß der Koalitionsvereinbarung vom November 2013 (131101) auf Ausschreibungen umgestellt werden soll. Das seit August 2014 gültige Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht in § 2 Abs. 5 ebenfalls vor, daß die Förderung für "Strom aus erneuerbaren Energien und aus Grubengas bis spätestens 2017 durch Ausschreibungen ermittelt" werden soll. Vor einem halben Jahr hat das Bundeswirtschaftsministerium dazu ein erstes Eckpunktepapier veröffentlicht, das seit Dezember 2015 in einer aktualisierten Fassung vorliegt. Im Unterschied zu den Formulierungen im Koalitionsvertrag und im EEG, die pauschal von einer Umstellung der EEG-Förderung sprechen, verdeutlicht dieses Eckpunktepapier, daß nur Wind- und Solarstrom auf Ausschreibungen umgestellt werden sollen. Freilich werden allein damit schon rund siebzig Prozent der derzeitigen EEG-Förderung erfaßt (siehe Grafik). Zudem soll noch geprüft werden, wieweit eine Ausweitung der Ausschreibung auf Biomasse-Anlagen sinnvoll sein könnte, die den Großteil des Rests an Vergütungen ausmachen. Dabei geht es vor allem um Bestandsanlagen, deren Förderung ab 2020 schrittweise ausläuft und die deshalb nicht mehr rentabel wären. Völlig unberührt von der geplanten Umstellung bleiben lediglich die Vergütungsregelungen für Wasserkraft, Deponiegas, Klärgas, Grubengas und Geothermie, die insgesamt weniger als drei Prozent der EEG-Förderung beanspruchen.
Die bisherigen EEG-Bestimmungen gelten allerdings weiterhin auch für Solar- und Windkraftanlagen, wenn diese eine Nennleistung von einem Megawatt nicht überschreiten. Mit diesem Zugeständnis will die Bundesregierung die "Akteursvielfalt" erhalten bzw. dem Vorwurf begegnen, daß sie die EEG-Förderung zu einer exklusiven Pfründe für kapitalkräftige Investoren umgestalte. Es handelt sich dabei im Solarbereich um einen nicht unerheblichen Teil der EEG-Förderung, denn im Jahr 2014 wurden rund 75.000 Dächer mit Solaranlagen bis 1 MW neu bestückt, und 2013 waren es sogar rund 100.000 Dächer. Allerdings würde sich die Einbeziehung dieses Marktsegments sowieso nicht lohnen, da es sich in der Regel um Einmal-Projekte von privaten Betreibern handelt, die mit der Beteiligung an Ausschreibungen überfordert wären. Ähnlich verhält es sich mit den Betreibern kleiner Windkraftanlagen im Kilowatt-Bereich. Zudem gibt es solche Kleinwindanlagen – anders als die Solardächer– nur in sehr geringer Anzahl.
Bei Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen an Land ersetzt das neue Ausschreibungsverfahren die bisherige Steuerung des Zubaues durch Absenkung oder Erhöhung der Förderung, sobald ein bestimmter "Korridor" nach oben oder unten verlassen wird. Bei der Photovoltaik werden – in Fortführung der bisherigen Pilotprojekte, die jedoch nur Freiflächenanlagen betrafen (150405) – drei Ausschreibungen pro Jahr durchgeführt. Die Ausschreibungen für Windkraftanlagen an Land starten 2017. Ab 2019 sollen die Ausschreibungen für Photovoltaik und Windkraft mit jeweils drei Gebotsterminen parallel durchgeführt werden.
Bei landgestützten Windkraftanlagen will die Bundesregierung die Umstellung auf Ausschreibungen nutzen, um - wie es heißt - "den Bau effizienter Anlagen stärker als bislang anzureizen". Dies war bei der letzten EEG-Novellierung auch vorgesehen, wurde dann aber ins Gegenteil verkehrt (140601). Ob sich das nun tatsächlich ändert, ist umstritten. Laut FAZ (25.1.) kritisierten der schleswig-holsteinische CDU-Vorsitzende Ingbert Liebing und der stellvertretende CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Michael Fuchs die vorgesehene Regelung, weil sie besonders solche Standorte fördere, an denen der Wind eher selten weht.
Jedenfalls soll für die Berechnung des Referenzertragswerts in Zukunft auf 100 Meter Höhe eine Windgeschwindigkeit von 6,45 Meter pro Sekunde zugrunde gelegt werden. Als Höchstwert für die Gebote sind 7,0 Cent pro Kilowattstunde für den 100 Prozent-Referenzstandort vorgesehen, wobei jährlich eine Absenkung um ein Prozent stattfindet. Um die Vergleichbarkeit der Gebote zu gewährleisten, wird der tatsächlich erwartete Referenzertrag der Anlage mithilfe eines gesetzlich definierten Korrekturfaktors in den Referenzertrag eines solchen Standorts umgerechnet. Vergütungsfähig sind Abweichungen im Bereich zwischen 70 und 150 Prozent des Referenzertrags. Bei schlechteren Standorten erhöht sich dabei die Vergütung um einen Faktor bis 1,29. Bei besseren verringert sie sich um einen Faktor bis 0,79.
Besonders umstritten ist die vorgesehene Begrenzung des Erneuerbaren-Ausbaus auf 45 Prozent der Stromerzeugung bis 2025. Das Eckpunktepapier interpretiert in diesem Sinne den Koalitionsvertrag vom November 2013, in dem Union und SPD vereinbarten, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent zu steigern (131101). Außerdem soll die Einhaltung dieses Ausbaukorridors "über die Ausschreibungsmenge bei Wind an Land gesteuert" werden. Demnach würde die Förderung von landgestützten Windkaftanlagen künftig nur noch insoweit ausgeschrieben, als das insgesamt zulässige Ausbauvolumen nicht schon von anderen erneuerbaren Energiequellen in Anspruch genommen wurde. Diese geplante Regelung hat über die unmittelbar betroffene Windenergiebranche hinaus heftige Proteste ausgelöst und zu der Forderung geführt, auf eine Deckelung des Erneuerbaren-Ausbaues generell zu verzichten (siehe 160101).
Die Errichtung von Offshore-Windparks wurde bisher über die Vergabe von Netzanschlußzusagen gesteuert, wobei die Anschlußkapazitäten in der Nord- und Ostsee bis Ende 2020 inzwischen restlos vergeben sind (160105). Die Umstellung auf Ausschreibungen kann hier deshalb erst für solche Windparks erfolgen, die nach diesem Zeitpunkt in Betrieb gehen. Grundsätzlich soll das so aussehen, daß die Bieter um eine als Standort vorgesehene Meeresfläche konkurrieren, die "staatlich voruntersucht" wurde. Diese staatliche Voruntersuchung soll "Flächenplanung und Raumordnung, Anlagengenehmigung, EEG-Förderung und Netzanbindung besser und kosteneffizienter miteinander verzahnen" und so einen "ausreichenden Wettbewerb bei den Ausschreibungen sicherstellen". Praktisch übernimmt damit der Staat die Rolle des Projektentwicklers und bietet per Ausschreibung die Errichtung eines Windparks auf einer Meeresfläche an, der bereits mit allen notwendigen Genehmigungen sowie einer Netzanschlußzusage versehen ist.
Bisher wurden Offshore-Windparks von privaten Investoren entwickelt, die dann die genehmigten Projekte entweder selber betrieben oder – was eher die Regel war – an kapitalkräftige Interessenten verkauften. Die Reibungsverluste zwischen Kapitalinteressen, gesetzlichen Rahmenbedingungen, staatlichen Genehmigungsvorbehalten und Anschlußzusagen bewirkten dabei erhebliche Probleme und Verzögerungen. Das geplante Ausschreibungsverfahren will dies vermeiden, indem es die Entwicklung der Standorte von vornherein zentralisiert und dem Staat überträgt, der dann auch als Verkäufer auftritt und demjenigen Bewerber den Zuschlag erteilt, der am wenigsten Förderung beansprucht. Wegen der langen Vorlaufzeiten für Planung und Genehmigung soll das neue System aber erst ab dem Jahr 2024 wirksam werden. Bis dahin wird der weitere Zubau in der Nord- und Ostsee "unter Berücksichtigung des Ausbaukorridors unter den bereits geplanten und genehmigten Windparks ausgeschrieben".
Das Modell der "staatlichen Voruntersuchung" tauchte bereits in der ersten Fassung des Eckpunktepapiers auf und steht damit schon seit einem halben Jahr zur Diskussion. Dennoch blieb die geplante Änderung weitgehend unbeachtet, bis sich am 19. Januar die "Frankfurter Allgemeine" damit befaßte. Unter der Überschrift "Staat plant bald Meereswindparks" berief sich das Blatt allerdings nicht auf das Eckpunktepapier, sondern auf "mit den Plänen des Wirtschaftsministeriums vertraute Personen". Anscheinend handelte es sich bei den Informanten um besorgte Windpark-Entwickler, die nur noch bei den Ausschreibungen für die Jahre 2021 bis 2023 die Gelegenheit hätten, ihre Projekte vor der deutschen Küste auf den Markt zu bringen.