Januar 2017 |
170103 |
ENERGIE-CHRONIK |
Seit der Katastrophe von Fukushima und dem parteiübergreifenden Konsens über den Ausstieg aus der Kernenergie paßt die Urananreicherung auf deutschem Boden überhaupt nicht mehr in die energiepolitische Landschaft. Das Foto zeigt Demonstranten, die beim "Ostermarsch" 2012 gegen das Urenco-Werk in Gronau protestieren. Foto: Michael Schulze von Glaßer
|
Die seit Jahren erwogene Umwandlung des Urenco-Konzerns in eine börsennotierte Aktiengesellschaft scheitert vorläufig an Sicherheitsbedenken. Das ergibt sich aus der vom 29. Dezember datierten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken. Urenco ist auf die Anreicherung von Uran zur Herstellung von Brennelementen für Kernkraftwerke spezialisiert. Der Konzern betreibt entsprechende Anlagen in Deutschland (Gronau), den Niederlanden (Almelo), Großbritannien (Capenhurst) und den USA (Eunice). Außerdem entwickelt und baut er die Zentrifugen, mit denen die Urananreicherung erfolgt und die grundsätzlich auch für die Herstellung von atombombentauglichem Material verwendet werden können. Zum Beispiel lieferte er die Zentrifugen, mit denen die französische Areva seit 2010 im französischen Nuklearkomplex Tricastin die Urananreicherung betreibt.
Anteilseigner von Urenco sind bisher staatliche Nuklearunternehmen Großbritanniens und der Niederlande sowie die beiden deutschen Energiekonzerne E.ON und RWE. Die Anlagen in Gronau, Almelo und Capenhurst unterliegen dem Vertrag von Almelo, der 1970 zwischen der Bundesrepublik, den Niederlanden und Großbritannien geschlossen wurde. Zur Einbindung des französischen Atomkonzerns Areva sowie zur Erweiterung der Aktivitäten auf die USA wurden drei weitere internationale Verträge geschlossen (siehe Hintergrund).
Aus der Anfrage der Linken und ihrer Beantwortung durch die Bundesregierung geht hervor, daß Großbritannien und die beiden deutschen Energiekonzerne ihre jeweilige Drittel-Beteiligung an Urenco verkaufen wollen. Die Niederlande sind nicht an einem Verkauf interessiert, verlangen aber eine gesetzliche Regelung, damit die Unternehmensanteile nicht in falsche Hände gelangen und die Kontrollmechanismen unterlaufen werden, denen Urenco aufgrund des 1970 geschlossenen Vertrags von Almelo unterliegt.
Auch die Bundesregierung sieht das so. Sie verhandelt schon "seit mehreren Jahren" mit Großbritannien und den Niederlanden über einen Rechtsrahmen, der gewährleistet, daß "die hoheitlichen nichtverbreitungspolitischen SANP-Rechte (SANP = Security and Non-Proliferation) weiterhin in vollem Umfang und zukunftsfest gegenüber Investoren und Käufern durchgesetzt werden können". Es sei jedoch keine tragfähige und für alle drei Staaten akzeptable Lösung gefunden worden. Das entscheidende Hindernis war offenbar die Umwandlung der Urenco in eine börsennotierte Aktiengesellschaft, wie sie von Großbritannien und den beiden deutschen Energiekonzernen gewünscht wurde, um den auf rund zehn Milliarden Euro geschätzten Marktwert von Urenco ungeschmälert in bare Münze verwandeln zu können. Diese Option wird aber nach Auskunft der Bundesregierung aufgrund der Sicherheitsbedenken seit Mitte 2016 nicht weiterverfolgt.
Die beiden Energiekonzerne müßten sich demnach mit einer anderen gesellschaftsrechtlichen Struktur und sonstigen Kautelen anfreunden, um Kasse zu machen. Durch den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie haben die Beteiligungen an Urenco für sie den einstigen strategischen Wert verloren. Daher ist die Versuchung groß, mit einem einmaligen Milliarden-Erlös solche Löcher zu stopfen, die gerade die verfehlte Orientierung auf Atom- und Kohlestrom aufgerissen hat. Unabhängig davon bleibt das Urenco-Geschäft vorläufig profitabel und erbrachte 2015 einen Reingewinn von 452 Millionen Euro. Das sind anteilig für jeden der beiden Energiekonzerne gut 75 Millionen Euro.