November 2018

181104

ENERGIE-CHRONIK


 

Die Abregelung von EEG-Anlagen hat seit 2014 sprunghaft zugenommen und kostete 2017 hundertmal soviel Entschädigung wie 2009.

Es bleibt beim "Einspeisemanagement" – Vorrang für EEG-Strom wird nicht relativiert

Wenige Stunden vor der Beschlussfassung des Bundestags über das "Energiesammelgesetz" (181101) hat die schwarz-rote Koalition eine umfangreiche Gesetzesänderung wieder komplett gestrichen. Es geht dabei um die Vorschriften zum "Einspeisemanagement" für Strom aus erneuerbaren Energien und die daraus resultierenden Entschädigungen in den §§ 14 und 15 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Dem ursprünglichen Gesetzentwurf zufolge wären sie ab dem kommenden Jahr ins Energiewirtschaftsgesetz verlagert worden. Man hätte sie dann dort im § 13 ("Systemverantwortung der Betreiber von Übertragungsnetzen") und im § 13a ("Anpassungen von Einspeisungen und ihre Vergütung") gefunden. Sie wären damit auch formal dem Instrumentarium für "Redispatch" (121109) eingefügt woren, zu dem sie sachlich schon immer gehören. Der Begriff "Einspeisemanagement", der vor zehn Jahren mit einer EEG-Novelle in die energiewirtschaftliche Terminologie eingeführt wurde, wäre überhaupt nicht mehr aufgetaucht.

In seiner vom 28. November datierten Beschlussempfehlung machte der Wirtschaftsausschuss des Bundestags diese geplanten Änderungen kurzfristig rückgängig. Seltsamerweise erfolgte dies ohne Begründung. In den einleitenden Ausführungen zur Beschlussempfehlung wiederholte der Berichterstatter Jens Koeppen (CDU) sogar wortwörtlich die Formulierung, mit der die Änderung im ursprünglichen Gesetzentwurf begründet worden war:

"Im EnWG werden die bislang unterschiedlichen Regime, nach denen die Netzbetreiber im Falle von Netzengpässen auf Erneuerbare-Energien- und KWK-Anlagen einerseits (sogenanntes Einspeisemanagement) und konventionelle Kraftwerke andererseits (sogenanntes Redispatch) zugreifen, zu einem einheitlichen Regime zusammengeführt. Damit wird die Netzführung optimiert und Kosten für die Behebung von Netzengpässen werden gesenkt."

Dieser Fehler des Berichterstatters ist vermutlich mit der Eile zu erklären, in der das "Energiesammelgesetz" schnell noch vor Jahresende durchs Parlament geschleust wurde und die auch der Bundesrat mit deutlichen Worten beanstandet hat (181101). Unabhängig davon muß es aber aus Sicht der schwarz-roten Koalition triftige Gründe gegeben haben, diese umfangreiche Änderung im Gesetzentwurf kurz vor der Verabschiedung im Bundestag rückgängig zu machen und die Streichung mit keinem Wort zu begründen.

Vermutlich wollte sich die Koalition nicht dem Vorwurf aussetzen, den Einspeisevorrang für Strom aus erneuerbaren Quellen in Frage zu stellen, der von Anfang an ein Kernbestandteil des EEG war, das bis 2014 mit "Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien" betitelt war (180504). Die Gesetzesänderung hätte zwar formal nichts an § 11 EEG geändert, demzufolge die Netzbetreiber den Strom aus erneuerbaren Energien "unverzüglich vorrangig physikalisch abnehmen, übertragen und verteilen" müssen. Sie wollte aber diese Privilegierung des EEG-Stroms auf andere Weise gewährleisten: Die Netzbetreiber wären durch § 13 Abs. 1 EnWG verpflichtet worden, unter mehreren geeigneten "Redispatch"-Maßnahmen jene auszuwählen, "die voraussichtlich insgesamt die geringsten Kosten verursachen". Maßgeblich für den Kostenvergleich wäre dabei ein "einheitlicher kalkulatorischer Preis", den die Netzbetreiber unabhängig von einzelnen Anlagen und Netzengpässen für die Abregelung von EEG-Anlagen festzulegen haben. Dieser kalkulatorische Preis hat mit den realen Kosten der regenerativen Stromerzeugung nichts zu tun. Er ist ein fiktiver Wert, der lediglich den Einspeisevorrang gewährleisten soll und von den konventionellen Erzeugungskosten abgeleitet wird: Er muss fünf- bis fünfzehnmal günstiger sein als die Kosten, die durch Abregelung einer entsprechenden Strommenge aus konventionellen Kraftwerken entstehen. Über die genaue Festlegung innerhalb dieser Bandbreite hätte gemäß § 13j EnWG die Bundesnetzagentur zu entscheiden gehabt.

Anstelle des § 15 im EEG, der bisher – und nun auch weiterhin – die Entschädigung der betroffenen Anlagenbetreiber regelt, hätte künftig der 13a im EnWG einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber begründet. Die Entschädigung hätte gemäß Absatz 2 als angemessen gegolten, wenn sie "den Betreiber der Anlage unter Anrechnung des bilanziellen Ausgleichs nach Absatz 1a wirtschaftlich weder besser noch schlechter stellt, als er ohne die Maßnahme stünde".

"Einspeisemanagement" wurde vor zehn Jahren eingeführt

Die Abregelung von EEG-Erzeugungsanlagen durch die Netzbetreiber und der Anspruch auf Vergütung der dadurch entstandenen "Ausfallarbeit" war im Erneuerbare-Energien-Gesetz lange Zeit nicht vorgesehen. Es fehlten auch die technischen Voraussetzungen dafür. Das änderte sich erst mit dem novellierten EEG, das zum Jahresbeginn 2009 in Kraft trat (071205, 081203). In § 11 ("Einspeisemanagement") ermächtigte es die Netzbetreiber, notfalls auch EEG- und KWK-Anlagen abzuregeln, um die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Außerdem verpflichtete es in § 12 ("Härtefallregelung") die Netzbetreiber, die betroffenen Einspeiser "in einem vereinbarten Umfang zu entschädigen". Falls es keine solche Vereinbarung gab, waren "die entgangenen Vergütungen und Wärmeerlöse abzüglich der gesparten Aufwendungen zu leisten". Die dadurch entstehenden Aufwendungen durften in die Netzentgelte einfließen.

Da das Einspeisemanagement nur Anlagen mit einer Leistung über 100 Kilowatt betraf, wurden Photovoltaik-Anlagen zunächst nicht erfaßt, denn nach den Begriffsbestimmungen in § 3 (Punkt 1) stellte jedes einzelne Solarmodul eine "Anlage" dar und blieb damit unter dieser Grenze. Die ab 2012 geltende EEG-Fassung hat diese begriffliche Unschärfe durch die "Technischen Vorgaben" in § 6 beseitigt, so daß seitdem die installierte Gesamtleistung einer ins Netz einspeisenden Solaranlage maßgeblich ist (§ 9 in der aktuellen EEG-Fassung). Außerdem wurden auch die Betreiber kleiner PV-Anlagen mit einer Leistung zwischen 30 und 100 Kilowatt dem Einspeisemanagement unterworfen. Sie haben zwar nicht den Abruf der Ist-Einspeisung zu ermöglichen, müssen aber ebenfalls dafür sorgen, daß der Netzbetreiber die Einspeisungen per Fernsteuerung reduzieren kann. Bei PV-Anlagen unter 30 Kilowatt genügt es, die maximale Einspeisung am Verknüpfungspunkt mit dem Netz auf siebzig Prozent der Wirkleistung zu begrenzen.

Die ab 2012 geltende Fassung des § 12 hat ferner die Entschädigungsregelung verändert: Seitdem sind die Betreiber "für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen zu entschädigen". Falls die entgangenen Einnahmen mehr als ein Prozent der Jahreseinnahmen ausmachten, steigt die Entschädigung auf hundert Prozent. In der aktuellen Fassung, die seit 1. August 2014 in Kraft ist (140601), wurde diese Entschädigungsregelung zu § 15. Dieser EEG-Paragraph wäre aufgrund der geplanten Neuregelung ebenso entfallen wie der vorhergehende § 14 zum "Einspeisemanagement".

 

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