März 2019

190316

ENERGIE-CHRONIK


Was hat Macron falsch gemacht? – Eine Studie untersucht die Hintergründe des "Gelbwesten"-Aufruhrs

Deutschland drohen in Kürze Milliarden-Belastungen wegen Nichterfüllung der CO2-Minderungsverpflichtungen bei den verkehrsbedingten Emissionen und in anderen Bereichen, die nicht vom Handel mit Emissionsberechtigungen erfaßt werden (181004). Auch Frankreich müsste die diesbezüglichen Emissionen bis 2020 um 14 Prozent gegenüber 2005 verringert haben und wird dieses Ziel ebenfalls nicht erreichen. Im Unterschied zum deutschen Nachbarn hat es aber schon vor fünf Jahren die Energiebesteuerung mit einem CO2-Aufschlag verbunden, der regelmäßig weiter anstieg und ab 1. Januar dieses Jahres 55 Euro pro Tonne betragen sollte. Die dadurch bewirkte Verteuerung von Benzin und Diesel war ein wichtiger Anlass zur Protestbewegung der "Gelbwesten", die den Präsidenten Macron zur Aussetzung dieser Erhöhung und zu verschiedenen anderen sozialen Zugeständnissen gezwungen hat. Die Initiative Agora Energiewende veröffentlichte im März eine Studie zu den Hintergründen dieser Protestbewegung, welche die Fehler bei der französischen CO2-Preispolitik analysiert (siehe PDF ).

CO2-Steuern dürfen nicht der Sanierung des Staatshaushalts dienen

Die Gelbwesten-Proteste gehen demnach auf eine ganze Reihe von Maßnahmen der französischen Regierung zurück, die insgesamt eine weitere Öffnung der sozialen Schere zwischen arm und reich bewirkt haben. Dazu gehört neben etlichen Sozialreformen die Erhöhung des CO2-Beitrags CCE ("Contribution Climat Énergie") auf Benzin und Diesel sowie auf Heizöl und Erdgas. Da diese Erhöhung ohne Rückverteilung der dadurch erzielten Staatseinnahmen vorgenommen wurde, belastete sie insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen. Für die umweltpolitische Debatte in Deutschland läßt sich daraus die Lehre ziehen, dass CO2-Steuern zwar ein effizientes Instrument des Klimaschutzes sind, aber nicht der Sanierung des Staatshaushalts dienen dürfen.

Proteste richten sich gegen die unsoziale Lastenverteilung

"Die seit Herbst andauernden Proteste richten sich überwiegend nicht gegen Klimaschutz, sondern gegen die soziale Umverteilung, die der CO2-Beitrag verstärkt hat", resümierte Murielle Gagnebin, eine der drei Autoren der Agora-Analyse. So habe die Regierung Macron nicht nur den CO2-Preis erhöht, sondern auch die Tabaksteuer und die pauschalen Sozialbeiträge. Gleichzeitig wurden die Wohngeldzuschüsse gesenkt. All das habe Haushalte mit geringem Einkommen viel stärker belastet als solche mit mittleren Einkommen. Verstärkt worden sei die soziale Spaltung noch durch die Abschaffung der Vermögenssteuer, von der die allerreichsten Haushalte erheblich profitierten. Es sei somit nachvollziehbar, wenn die Franzosen dagegen protestieren, dass sich die soziale Schere weiter geöffnet hat.

"Mit dem CO2-Beitrag hat das aber nur zum Teil zu tun, und dieser Teil wäre relativ leicht lösbar", meinte Gagnebin weiter. Die mit einer CO2-Besteuerung zwangläufig immer verbundene Umverteilung lasse sich durch Rückzahlungen der Einnahmen an untere Einkommensgruppen kompensieren. Das sei sogar notwendig, denn ein CO2-Aufschlag auf den Energieverbrauch treffe wie jede Verbrauchssteuer die Haushalte mit niedrigem Einkommen verhältnismäßig stärker als die Haushalte mit hohem Einkommen.

"Denkbar ist auch eine Pro-Kopf-Rückverteilung wie in der Schweiz, wo jede Bürgerin und jeder Bürger aktuell 68 Euro im Jahr bekommt", ergänzte Agora-Direktor Patrick Graichen. "Die Schweiz macht damit vor, wie man CO2-Steuern einführt, ohne dass es zu Protesten kommt."

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