Dezember 2019 |
191210 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die sieben beteiligten EU-Staaten gewähren ihre Beihilfen an insgesamt 17 Unternehmen, die in einem oder mehreren von vier Forschungsbereichen tätig sind und ihrerseits mit über 70 externen Partnern zusammenarbeiten. Den größten Teil des Kuchens vergibt Deutschland mit 1,25 Milliarden Euro. Davon profitieren insbesondere der Chemiekonzern BASF, der Automobilkonzern BMW , der Batteriehersteller VARTA und die Umicore S.A., die in Deutschland die Edelmetallsparte des einstigen Degussa-Konzerns übernommen hat. |
Die EU-Kommission genehmigte am 9. Dezember insgesamt 3,2 Milliarden Euro staatliche Beihilfen zum Aufbau einer europäischen Batteriezellenfertigung. Größter Geldgeber ist Deutschland mit einer genehmigten Obergrenze von 1,25 Milliarden Euro, gefolgt von Frankreich (960 Mio.), Italien (570 Mio.), Polen (240 Mio.), Belgien (80 Mio.), Schweden (50 Mio.) und Finnland (30 Mio.). Das Vorhaben wird von 17 direkt beteiligten Unternehmen aus den sieben Mitgliedstaaten durchgeführt, wobei diese Unternehmen teilweise in mehreren der insgesamt vier Forschungsbereiche und mehreren der sieben Mitgliedsstaaten tätig sind (siehe Grafik). Sie sollen sowohl untereinander als auch mit über 70 externen Partnern – zum Beispiel öffentlichen Forschungseinrichtungen – eng zusammenarbeiten.
Die Kommission beschloss damit zum zweiten Mal ein "Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse". Vor einem Jahr genehmigte sie eine Beihilfe von 1,75 Milliarden Euro für ein erstes Projekt, das Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien zur gemeinsamen Forschung und Innovation auf dem Gebiet der Mikroelektronik angemeldet hatten. Die 2014 erlassenen Richtlinien für solche "Important Projects of Common European Interest" (IPCEI) erlauben eine bis zu hundertprozentige staatliche Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungskosten, "um schwerwiegende Marktstörungen odeer systemische Ausfälle zu beheben und gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen, die ansonsten nicht gelöst werden könnten".
Ein derartiges "Marktversagen" – eigentlich ein irreführender Ausdruck, weil der Markt keineswegs versagt, sondern gerade durch sein globales Funktionieren verhängnisvolle Konsequenzen für die europäischen Staaten hat – sieht die Kommission nun auch bei der Batteriezellfertigung gegeben. Diese erfolgt nämlich zu mehr als achtzig Prozent im asiatisch-pazifischen Raum, obwohl Batterien als Stromspeicher eine ungeheure Bedeutung erlangt haben und beispielsweise beim Elektroauto rund ein Drittel der Wertschöpfung ausmachen. Ebenso werden elektronische Produkte, mobile Arbeitsgeräte oder Batterie-Stromspeicher größtenteils mit Importen aus China, Japan oder Korea bestückt. Schon Ende 2017 rief die EU-Kommission deshalb mit interessierten Mitgliedstaaten und Unternehmen eine "Europäische Batterie-Allianz" ins Leben und legte im Mai 2018 einen strategischen Aktionsplan für Batterien vor (180701).
Nach Feststellung des Europäischen Rechnungshofs konzentriert sich diese Batterie-Allianz allerdings "weitgehend auf bestehende, nicht bahnbrechende Technologien". Eine von der EU forcierte Aufholjagd könne aber die angestrebte Konkurrenzfähigkeit nicht auf Basis des gegenwärtigen Entwicklungsstandes erreichen. Hierzu bedürfe es einer neuen, überlegenen Technologie (190406). Zu diesem Einwand des Rechnungshofs passt auch, dass CATL – der weltweit größte Hersteller von Batterien im Autobereich – derzeit in Thüringen sein erstes Werk außerhalb Chinas errichtet und damit potentiellen europäischen Konkurrenten noch weniger Chancen lassen wird (180701).
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Automobilkonzern BMW, der künftig seine Elektroautos mit CATL-Batterien ausrüstet und so den Absatz der chinesischen Produktionsanlage in Thüringen sichert, ebenfalls unter den Beihilfe-Empfängern vertreten ist. In den beiden Kernbereichen "Batteriesysteme" und "Zellen und Module" nutzt er die Gelegenheit, um Alternativen zu den noch immer sehr unbefriedigenden Speicherkapazitäten für Elektromobilität zu erkunden. Er hat also gleich zwei Eisen im Feuer.
Das ganze Beihilfe-Projekt ist erklärtermaßen darauf angelegt, den Fehler einer bloß nachholenden Entwicklung vermeiden. In der Mitteilung der EU-Kommission liest sich das so:
Gefördert wird die Entwicklung hoch innovativer und nachhaltiger Technologien für langlebigere Lithium-Ionen-Batterien (mit flüssigem oder festem Elektrolyt), die kürzere Ladezeiten haben als die derzeit verfügbaren Batterien und zudem sicherer und umweltfreundlicher sind. Ehrgeizige und mit Risiken verbundene Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sollen über den Stand der Technik hinausgehende Innovationen entlang der gesamten Batterie-Wertschöpfungskette ermöglichen – von der Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe, der Produktion moderner chemischer Werkstoffe, der Konzeption von Batteriezellen und -modulen und deren Integration in intelligente Systeme bis hin zum Recycling und zur Umnutzung von Altbatterien.
Die Projektteilnehmer und ihre Partner werden ihre Arbeit auf die folgenden vier Bereiche konzentrieren:
Das Gesamtvorhaben läuft voraussichtlich bis 2031, wobei für die einzelnen Teilvorhaben unterschiedliche Fristen gelten. Es soll vor allem "Spill-Over-Effekte" bewirken, wie der EU-Anglizismus für volkswirtschaftliche Übertragungseffekte lautet. Das schließt freilich nicht aus, dass es auch die Bilanzen der beteiligten Unternehmen verschönt. Die EU-Kommission versichert deshalb schon mal vorsorglich:
"Ein beträchtlicher Teil der zusätzlichen Gewinne der Teilnehmer wird über einen Rückforderungsmechanismus auch den Steuerzahlern zugutekommen, denn sollte das Vorhaben erfolgreich sein und höhere Nettoerträge abwerfen als vorgesehen, werden die Unternehmen einen Teil der erhaltenen Steuergelder an den betreffenden Mitgliedstaat zurückzahlen."
Das klingt allerdings sehr unbestimmt. Zum Beispiel wüßte man gern, wie ein solcher "Rückforderungsmechanismus" funktioniert oder wie hoch die zulässigen "Nettoerträge" sein dürfen. Die eingeplanten 3,2 Milliarden Euro wird der europäische Steuerzahler jedenfalls vorerst nicht wiedersehen, sondern à fonds perdu verbuchen müssen.