April 2020

200401

ENERGIE-CHRONIK


 


In den vier April-Kalenderwochen ging der deutsche Stromverbrauch gegenüber dem Vorjahr (blau) um 2540 Gigawattstunden bzw. sieben Prozent zurück (rot). Die beiden augenfälligsten Abweichungen der beiden Verbrauchskurven auf dieser Grafik sind allerdings nicht auf die Coronavirus-Krise zurückzuführen, sondern auf die Verschiebung der vier Ostertage (Karfreitag bis Ostermontag) um eine Woche.

Corona-Krise senkte Stromverbrauch um 7 Prozent gegenüber Vorjahr

Deutschland hat im April sieben Prozent weniger Strom verbraucht als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Hauptgrund ist sicher die andauernde Coronavirus-Krise, die mit der teilweisen Lähmung des wirtschaftlichen Lebens den Bedarf an elektrischer Energie verringert. Beim Vergleich der vier Kalenderwochen 14 bis 17 sank der Verbrauch von 36,18 Terawattstunden (TWh) auf 33,64 TWh. In den vorangegangenen vier Kalenderwochen im März betrug die Differenz dagegen nur 0,74 TWh bzw. knapp zwei Prozent (200301).

Besonders stark – um gut 15 Prozent – ging der Stromverbrauch in der Woche vor Ostern zurück. Von Karfreitag bis Ostermontag lag er dagegen mit einem Minus von 38 Gigawattstunden bzw. 1 Prozent fast gleichauf mit den vier Ostertagen des Vorjahres. Dies läßt darauf schließen, dass gewerbliche Stromabnehmer die österliche Pause zum Anlass genommen haben, um sie durch Kurzarbeit oder andere Produktionseinschränkungen auszudehnen.

Abnahme einer Megawattstunde kostete bis zu 84 Euro

Zugenommen haben auch die Stunden mit Negativpreisen. Im März waren es drei Sonntage, an denen der Großhandelspreis im vortägigen Handel an der Expex Spot jeweils sieben Stunden lang Zuzahlungen bis zu 55 Euro pro Megawattstunde erforderte (200306). Im April sank der Preis gleich sechsmal unter null und wurde insgesamt 39 Stunden lang negativ. Am 13. April (Ostermontag) kam er sogar 14 Stunden lang nicht aus dem Keller, wobei die Abnahme einer Megawattstunde ein Aufgeld bis zu 78 Euro kostete. Am 21. April sank er acht Stunden lang sogar bis auf minus 84 Euro. Die Vergütungen für den EEG-Strom entfallen damit für insgesamt 22 Stunden, während es im Vormonat 21 Stunden waren. Bei den anderen vier Negativpreis-Phasen greift die Sechs-Stunden-Regel nach § 51 EEG nicht, weil sie nur drei bis fünf Stunden dauerten.

Kohleausstiegsgesetz und Aufhebung des Solardeckels weiter ungewiß

Obwohl die Bundesregierung die umfangreichen Änderungswünsche des Bundesrats zum Kohleausstiegsgesetz rundweg abgelehnt hat (200405), dürfte die Verabschiedung des Gesetzes kaum noch vor der Sommerpause erfolgen, wie dies ursprünglich geplant war. Die für den 25. März geplante Anhörung, die wegen der Corona-Krise verschoben wurde, soll jetzt Ende Mai stattfinden (200401). Ungewiß bleibt auch, wann endlich die Aufhebung des "Solardeckels" beschlossen wird, auf die sich die Koalition schon seit längerem grundsätzlich geeinigt hat, die aber von der Union als Druckmittel verwendet wird, um von der SPD Zugeständnisse bei der Abstandsregelung für Windkraftanlagen zu erreichen (200301, 190903).

Kritische Energie-Infrastrukturen bisher nicht gefährdet

Auch in Unternehmen der Energiebranche gibt es Coronainfektionen oder Verdachtsfälle, berichtete die Bundesnetzagentur in einer vom 14. April datierten Vorlage für die nächste Sitzung ihres politischen Beirats. Bislang sei dadurch aber die "Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit in den systemkritischen Bereichen der Unternehmen nicht gefährdet". Vorsorglich würden sich Betreiber kritischer Infrastrukturen auf eine Verschärfung der Lage einstellen und zum Beispiel Vorkehrungen treffen, um die Beschäftigten der Netzleitstellen bei Bedarf zu isolieren. Die Behörde warnte vor Problemen bei der Beschaffung von Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln.

Bundesnetzagentur verlängert Zeitraum für Umstellung auf L-Gas und andere Fristen

Am 1. April kündigte die Bundesnetzagentur an, den bisher vorgesehenen Zeitraum für die Umstellung von Haushalten und Industriekunden von L-Gas auf H-Gas auszuweiten, weil die erforderlichen Arbeiten aufgrund der Corona-Krise und der damit verbundenen Einschränkungen des täglichen Lebens immer schwieriger durchzuführen sind (200410). Ferner verschob sie die Einführung des neuen Bilanzkreisvertrages Strom und die des verschlüsselten Fahrplanaustauschs um jeweils drei Monate. Sie will damit Netzbetreiber und Bilanzkreisverantwortliche in der Corona-Krise entlasten. Der neue Bilanzkreisvertrag und die zugehörige Prozessbeschreibung "Fahrplananmeldung in Deutschland" sind damit erst zum 1. August 2020 verpflichtend einzuführen. Den Projektierern von Solar-, Wind- oder Biomasseanlagen räumte die Behörde wegen der "Ausnahmesituation" durch die Corona-Pandemie die Möglichkeit ein, die üblicherweise einzuhaltenden Fristen auf Antrag verlängern zu lassen. Die Ausnahmeregelung ist auf Projekte beschränkt, für die der Zuschlag vor dem 1. März 2020 erteilt wurde.

UN-Klimagipfel in Glasgow wird um ein Jahr verschoben

Der 26. UN-Klimagipfel, der am 9. November in Glasgow beginnen sollte, findet wegen der Coronavirus-Krise nicht statt. Dies kündigten die britische Regierung und die UNO am 1. April in einer gemeinsamen Erklärung an, nachdem sich ihre Vertreter via Bildschirm "virtuell" zur Beratung des Problems getroffen hatten. Zu dem Treffen in Schottland waren rund 30.000 Delegierte, Journalisten und Umweltaktivisten erwartet worden. Es soll nun im kommenden Jahr nachgeholt werden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest.

Warnung vor Rückschlägen beim Klimaschutz – für Umgestaltung der europäischen Wirtschaftsordnung

Inzwischen häufen sich aus Politik und Wirtschaft Forderungen, die schweren Folgen der Corona-Krise für eine umweltgerechte Umgestaltung der europäischen Wirtschaftsordnung zu nutzen und mit dem von der EU proklamierten "Green Deal" (191204) zu verbinden. Am 14. April veröffentlichten mehr als 180 Politiker, Vorstandsvorsitzende, Wirtschaftsverbände und andere Organisationen dazu den Appell "Green Recovery". Ferner warnten 13 europäische Umwelt- und Energieminister am 9. April vor Rückschlagen beim Klimaschutz. In ähnlicher Weise forderten am 20. April über 180 Organisationen und Unternehmen die Bundesregierung auf, "die ökonomische Zwangspause durch COVID-19 für einen nachhaltigen Neustart unserer Volkswirtschaft zu nutzen" und dabei "unbedingt an den Klimazielen festzuhalten" (200412). Die beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck veröffentlichten am 26. April einen programmatischen Text, in dem sie neben "mehr Geld für Krisenopfer, mehr Europa und mehr Klimaschutz" auch eine drastische Verringerung der EEG-Umlage verlangen (200413).

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