Juli 2020

200711

ENERGIE-CHRONIK




Bei der außerordentlichen Hauptversammlung in der Münchener Siemens-Zentrale waren nur die fünf Konzernvertreter auf der Tribüne sowie Hilfspersonal real zugegen. Die Aktionäre und sonstiges Publikum wurden per Internet einbezogen. Der Spruch "Ingenuity for life" bezieht sich übrigens nicht auf den Einfallsreichtum, mit dem hier die lebensbedrohliche Corona-Situation gemeistert wurde, sondern ist seit 2016 der offizielle "Markenclaim" des Siemens-Konzerns. Allerdings dürfte für Deutsche wie für Engländer rätselhaft bleiben, was damit gemeint ist. "Die Agentur hat anscheinend das Unternehmen überzeugen können, dass 'Ingenuity for life' etwas mit dem deutschen Wort 'Ingenieur' zu tun hat", spottete ein Insider der Werbebranche. Bei Siemens will man den Spruch im Sinne von "Werte für Generationen" verstanden wissen.
Foto: Siemens

Siemens-Aktionäre billigen Abspaltung des Energiegeschäfts

Die Anteilseigner des Siemens-Konzerns haben am 9. Juli der geplanten Abspaltung des Energiegeschäfts (190503) zugestimmt. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung billigten sie mit 99,36 Prozent des Aktienkapitals das Vorhaben des Vorstands. Wegen der Corona-Pandemie fand die Versammlung virtuell in der Siemens-Zentrale statt und nicht mit einigen Tausend Teilnehmern in der Münchener Olympiahalle, wie das noch am 5. Februar bei der ordentlichen Hauptversammlung der Fall gewesen war.

Dies sei der einzige Weg gewesen, um in der gegenwärtigen Situation eine solche Hauptversammlung durchzuführen, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Jim Hagemann Snabe in seiner Eröffnungsrede. Die rechtliche Grundlage für derartige virtuelle Hauptversammlungen schuf das COVID-19-Maßnahmengesetz vom 27. März. Physisch zugegen waren lediglich der Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser und ein paar weitere Konzernvertreter. Die Aktionäre, Journalisten und andere Interessenten konnten per Internet teilnehmen, wobei die Abstimmung durch PIN-Eingabe über eine gesicherte Datenverbindung erfolgte. Die sonst übliche Aussprache mit Rede- und Antragsrecht der Aktionäre entfiel. Es konnten aber vorher Fragen und Gegenanträge eingereicht werden. Tatsächlich gab es auch drei Anträge, die Abspaltung des Energiebereichs abzulehnen. Sie hatten indessen keine Chance, da sie nur 0,64 Prozent des Aktienkapitals repräsentierten.

Siemens-Chef erhofft sich "Wertsteigerung durch Fokussierung"

Siemens-Chef Kaeser betonte in seiner Rede, die geplante Abspaltung sei "weder ein Schnellschuss noch eine Notlösung, weder eine Zerschlagung noch eine Modeerscheinung". Vielmehr gehe es um "Wertsteigerung durch Fokussierung", wie sie mit der Verselbständigung der Gesundheitstechnik in Form von "Siemens Healthineers" bereits erfolgreich durchgeführt worden sei. Während der Nettobuchwert von Siemens Energy bisher nur rund 17 Milliarden Euro betrage, habe Siemens Healthineers Anfang Juli einen Börsenwert von etwa 42 Milliarden Euro erreicht.

Kaeser ist offenbar der Ansicht, dass die einzelnen Teile von Siemens mehr wert sind als der Gesamtkonzern. "Konglomerate können vieles gut, aber nur weniges, was künftig wichtig ist, wirklich gut", sagte er. Anders als bei der neuen Tochter Healthineers, wo Siemens mit 85 Prozent der beherrschende Mehrheitsaktionär bleibt, wird der Konzern an der neuen Siemens Energy AG aber nur noch 45 Prozent halten und will diese Beteiligung später noch verringern. Er ist somit allenfalls noch Ankeraktionär eines Unternehmens, das den traditionsreichen Namen Siemens zwar per Lizenzvertrag führen darf, aber von vornherein außerhalb des Konzerns angesiedelt wurde. Anders als bei Healthineers erfolgt auch kein Börsengang, sondern es bleibt den Siemens-Aktionären überlassen, ob sie sich von ihren neuen Beteiligungen trennen wollen, die ab September an der Börse notiert werden. Pro Aktie erhalten sie jeweils zwei Aktien der Siemens Energy AG.

 

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