August 2020

200803

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung muss zwei Offshore-Projektentwickler entschädigen

Der Systemwechsel, mit dem die Bundesregierung ab 2015 das bisherige Verfahren zur Erschließung und Genehmigung von Offshore-Windparks stoppte und durch ein staatlich reglementiertes Ausschreibungsregime ersetzte, bewirkte für zwei der früheren Projektentwickler unbillige Härten, weshalb sie einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung haben. So entschied das Bundesverfassungsgericht in einem vom 30. Juni datierten Urteil, das am 20. August veröffentlicht wurde. Im übrigen hat es die Verfassungsbeschwerden der beiden Kläger gegen das seit 2017 geltende Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) jedoch abgewiesen. Der festgestellte Verfassungsverstoß berühre nur einen Randbereich der an sich legitimen Änderungen, die der Gesetzgeber im Interesse der Allgemeinheit vorgenommen habe. Die Feststellung seiner Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz bewirke deshalb nicht die Unwirksamkeit des Windenergie-auf-See-Gesetzes, sondern lediglich die Anordnung, eine entsprechende Ausgleichsregelung bis 30. Juni 2021 in das Gesetz aufzunehmen.

Vermutlich wird die Bundesregierung diese Anordnung schon bei der derzeit anstehenden Novellierung des Gesetzes berücksichtigen, die am 2. Juli vom Bundestag in erster Lesung beraten wurde. Zugleich wird sie im Lichte dieses Urteils prüfen müssen, ob die bisher geplante Neufassung nicht erneut Anlass für eine begründete Verfassungsbeschwerde geben könnte, weil die vorgesehene "zweite Gebotskomponente" die sogenannten Eintrittsrechte der früheren Projektentwickler zumindest teilweise entwerten würde (200605).

Vergünstigungen für bestehende Projekte wurden auf küstennahe Entfernungszonen beschränkt

Kläger waren die Projektentwickler wpd und PNE, die in den Entfernungszonen 3 und 4 vor der deutschen Nordseeküste insgesamt sechs Windparks geplant hatten. Für die Untersuchung des Meeresbodens, Gutachten zur Umweltverträglichkeitsprüfung und andere vorbereitende Maßnahmen hatten sie jeweils mehrere Millionen Euro aufgewendet. Wegen der Umstellung des Offshore-Vergabeverfahren mussten sie diese Kosten abschreiben. Zugleich war es ihnen aber nicht möglich, von den Übergangsregelungen zu profitieren, mit denen das Windenergie-auf-See-Gesetz die Entwickler von bereits genehmigten oder weit fortgeschrittenen Projekten bei den neu eingeführten Ausschreibungen privilegierte. Diese Vergünstigungen galten und gelten nämlich nur für Projekte in den Entfernungszonen 1 und 2. Sachlicher Grund dieser Restriktion war die mit dem Systemwechsel verbundene Absicht, die für die Offshore-Windparks benötigten Netzanbindungen vorerst auf den küstennahen Bereich zu konzentrieren (200109).

Gericht empfiehlt finanzielle Abfindung als "mildeste" von drei Lösungen

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hebt auf die so entstandene Benachteiligung der beiden Projektentwickler ab, die im Vertrauen auf die Fortdauer der bisherigen Verfahrensweise in den Entfernungszonen 3 und 4 investiert hatten. Die Beschränkung der Vergünstigungen auf bestehende Projekte im küstennahen Bereich habe eine "unechte Rückwirkung" des Windenergie-auf-See-Gesetzes zur Folge, die an sich legitim sei, aber verfassungsrechtlich nicht vollständig gerechtfertigt werden könne. Sie sei auch nicht uneingeschränkt erforderlich, "weil dem Gesetzgeber neben weniger geeigneten Mitteln (1, 2) ein milderes, ebenso geeignetes Mittel zur Verfügung steht (3), um seine Ziele zu erreichen".

Die beiden weniger geeigneten Mittel (1, 2) sieht das Gericht darin, die Windparkplanungen der Kläger nachträglich als bestehende Projekte im Sinne des § 26 WindSeeG einzustufen oder ihnen bei den jetzt stattfindenden Ausschreibungen ebenfalls ein Eintrittsrecht nach § 39 zu gewähren, das bisher nur für Projekte in den Entfernungszonen 1 und 2 gilt. Als "milderes" Mittel (3), das die Intentionen des Gesetzgebers nachträglich weniger störe, empfiehlt es eine finanzielle Entschädigung der Kläger in Anlehnung an § 41 WindSeeG. Demnach bekämen die beiden Projektentwickler vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die notwendigen Kosten ihrer Planungen und Untersuchungen erstattet, wenn sie dafür sämtliche einschlägigen Unterlagen der Behörde überlassen und eine Verzichtserklärung auf weitere Ansprüche abgeben. Es ist anzunehmen, dass die Bundesregierung diesem Vorschlag folgen wird.

Es gibt kein Recht auf Eigentum am Meeresboden vor der deutschen Küste

Grundsätzlich halten die Karlsruher Richter die Systemumstellung bei der Offshore-Planung aber für legitim und sinnvoll, auch wenn dadurch die Profiterwartungen einzelnen Akteure enttäuscht worden sein sollten. In ihrer Pressemitteilung wird das so formuliert: "Das Windenergie-auf-See-Gesetz dient den legitimen Zielen des Klima- und des Umweltschutzes. Insbesondere zielt es auf größere Wirtschaftlichkeit des Ausbaus der Windenergie auf See und auf die Verbesserung der Planungssicherheit für Offshore-Windenergieanlagen durch bessere Koordination und Steuerung. Dass der Betrieb nur im Fall eines Zuschlags und behördlicher Einzelzulassung erlaubt wird, ist zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet und gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG auch erforderlich."

Die Kläger hatten sich insbesondere auf die Artikel 14 und 12 des Grundgesetzes berufen, die das Recht auf Eigentum und die freie Berufsausübung garantieren. Eine Verletzung des Rechts auf Eigentum sahen die Richter schon deshalb nicht gegeben, weil es gar nicht möglich sei, privates Eigentum am Meeresboden in der "Ausschließlichen Wirtschaftszone" vor der deutschen Nordseeküste zu erwerben. Die vergebens getätigten Investitionen seien ebenfalls nicht als Eigentum im Sinne von Artikel 14 zu betrachten, sondern "für sich genommen schlicht Ausgaben". Die Änderung der alten Offshore-Praxis verletze auch nicht das Recht auf freie Berufsausübung. Ebensowenig ergebe sich aus Artikel 12 ein "Vertrauensschutz wegen frustrierter Investitionen, die mit Blick auf eine künftige unternehmerische Tätigkeit erfolgt sind".

 

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