Oktober 2020

201007

ENERGIE-CHRONIK


 


Die meisten "Umweltbonus"-Anträge, die seit Juli 2016 gestellt wurden, kamen aus den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Die Grafik lässt das Verhältnis zwischen reinen Elektroautos (rot) und Plug-in-Hybriden (blau), das bundesweit 62 zu 38 Prozent beträgt, auf der jeweiligen Landesebene erkennen. Sie enthält auch die Anträge für Brennstoffzellen-Fahrzeuge (grün). Diese sind aber so gering , dass sie in den Diagramm-Balken kaum oder gar nicht zu sehen sind und sich nur als Zahlen darstellen lassen.

"Umweltbonus" begünstigt auch SUV-Fahrzeuge

Die Verdoppelung der staatlichen Prämien für die Anschaffung von Elektro- und Hybridfahrzeugen zeigt weiterhin Wirkung: Nach dem explosionsartigen Anstieg im Juli (200811) nahm das Interesse am "Umweltbonus" nochmals erheblich zu und war im September mit 27.436 Anträgen rund zwanzigmal stärker als zu Beginn der Aktion vor vier Jahren (siehe Grafik 3). Mit Hilfe einer zweimaligen Aufbesserung der ursprünglichen Fördersätze ist es der Bundesregierung so doch noch gelungen, den Absatz von Elektrofahrzeugen spürbar zu beleben, ohne dass sich die Inanspruchnahme der staatlichen Zuschüsse auf reine Mitnahme-Effekte beschränkt, wie das lange Zeit der Fall war und deshalb vom Bundesrechnungshof beanstandet wurde (180801). Allerdings wurde dieser Erfolg überaus teuer erkauft. Der zusätzliche Milliardenaufwand stösst auch deshalb auf Kritik, weil die Beihilfen großteils der Anschaffung von sogenannten Plug-in-Hybriden dienen, die in der Praxis wenig oder gar nicht umweltfreundlich sind. Insbesondere gilt das für die umstrittenen "Sport Utility Vehicles" (SUV)– im Volksmund "Stadtpanzer" genannt –, die von der Automobilindustrie inzwischen auch als Plug-in-Konstruktionen angeboten werden und in beiden Ausführungen zu ihrem wichtigsten Verkaufsschlager geworden sind.

Schon bisher entfielen 38 Prozent aller "Umweltbonus"-Anträge auf Plug-in-Hybride


Von den insgesamt 284.482 "Umweltbonus"-Anträgen, die bis September 2020 beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollle (BAFA) gestellt wurden, profitierten zu 82 Prozent die oben genannten Hersteller.

Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollle (BAFA) entfielen von den bisher insgesamt 284.482 "Umweltbonus"-Anträgen 176.298 auf reine Batteriefahrzeuge, 108.015 auf Plug-in-Hybride und 169 auf Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Das entspricht einem Verhältnis von 62 zu 38 Prozent, wobei sich in der Aufrundung beider Prozentzahlen noch ein kümmerlicher Rest von 0,6 Prozent für die Brennstoffzellen-Fahrzeuge versteckt. Neuere Zahlen lassen allerdings vermuten, dass auf die Plug-in-Hybride bereits die Hälfte der Anträge entfällt und dass diese weiter im Vormarsch sind.

Özdemir kritisiert "staatlich subventionierten Klimabetrug"

Plug-in-Hybride sind Fahrzeuge mit Verbrennungs- und Elektromotor, die an der Steckdose aufgeladen werden können. Im Unterschied zu Hybriden ohne externe Lademöglichkeit, deren Elektroantrieb ausschließlich vom Verbrennungsmotor gespeist wird, können sie rein elektrisch gefahren werden und den dafür benötigten Strom aus dem Netz beziehen. Das ist auch die Begründung, weshalb sie in den "Umweltbonus" zur Förderung der Elektromobilität einbezogen wurden. Die Praxis sieht allerdings anders aus. So ergab eine Untersuchung an Dienstwagen, dass mehr als vier Fünftel der Fahrstrecken weiterhin nur mit dem Verbrennungsmotor zurückgelegt wurden. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Kem Özdemir (Grüne), fordert deshalb eine Neuregelung der Förderpraxis, die sicherstellt, dass die Plug-in-Hybride zumindest den Großteil ihrer Fahrleistung tatsächlich elektrisch erbringen. "Ein Plug-in-Hybrid, der nicht elektrisch unterwegs ist, ist ein schwerer fossiler Verbrenner, der Steuergeld geschenkt bekommt und dem Klima schadet", sagte Özdemir der "Stuttgarter Zeitung" (24.6.). Es sei "staatlich subventionierter Klimabetrug", wenn weiterhin Autos gefördert werden, die "nur auf dem Papiere einen Klimavorteil haben".

Im September gab es 463 Prozent mehr Neuzulassungen von Plug-in-Hybriden als im Vormonat

Genau diese Fehlentwicklung scheint durch die Verdoppelung der staatlichen Prämien noch vorangetrieben zu werden. Wie das Kraftfahrtbundesamt am 5. Oktober mitteilte, wurden im September 21.188 Elektro-Pkw und 20.127 Plug-in-Hybride neu zugelassen (neben 33.909 Hybrid-Fahrzeugen ohne externe Lademöglichkeit). Bei den Neuzulassungen ist demnach der Abstand zwischen Plug-in-Hybriden und Elektro-Pkw deutlich geringer geworden als die oben erwähnten Antragszahlen der "Umweltbonus"-Statistik seit 2016 vermuten lassen. Dazu passt, dass die Zulassungen von Elektro-Pkw gegenüber dem Vormonat "nur" um 260 Prozent zunahmen, die der Plug-in-Hybride aber um 463 Prozent nach oben schnellten. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, werden die Plug-in-Hybride bald die größten Nutznießer des "Umweltbonus" sein – vor allem die unnötig großen und schweren "Stadtpanzer", die im September einen Anteil von 21,2 Prozent an sämtlichen Neuzulassungen hatten und damit das größte Segment aller Pkw-Kategorien waren.

Der "Umweltbonus" zur Förderung der Elektromobilität war zunächst ein Fehlschlag und führte lediglich zu Mitnahmeeffekten, die den Bundesrechnungshof auf den Plan riefen (180801). Erst nach der Verlängerung des Angebots um ein Jahr nahm ab 2019 die Zahl der Anträge allmählich zu (190609). Für einen weiteren Schub sorgte dann die Aufstockung und Verlängerung der Prämien bis Ende 2025, die im November 2019 vorgenommen wurde (200207). Aber erst nach der im Juni 2020 beschlossenen Verdoppelung der Staatsprämien (200606) schossen die Antragszahlen so in die Höhe, wie man sich das anfangs vorgestellt hatte (200811).


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