November 2022

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ENERGIE-CHRONIK



Die Änderung der Preisermittlung für Diesel und Gasöl gab Platts am 1. Juni bekannt, als in Deutschland der dreimonatige Tankrabatt begann. – Kein Wunder, dass vor allem Diesel-Fahrer wenig von der Verbilligung des Tankens um 16,7 Cent pro Liter verspürten, die aufgrund der Steuerermäßigung theoretisch zu erwarten gewesen wäre.

Mineralölkonzerne bereicherten sich am EU-Ölembargo gegen Russland

Das mit viel Mühe und starken Abstrichen zustande gekommene EU-Ölembargo gegen Russland, das formal Anfang Juni in Kraft trat (220604), hat seitdem den Export russischen Öls keineswegs behindert, konnte aber gerade deshalb von den großen Mineralölkonzernen als Hebel zur zusätzlichen Vemehrung ihrer Profite genutzt werden. Leidtragende waren die ohnehin schon extrem gebeutelten Diesel-Verbraucher. Dies ergaben Recherchen des NDR, die Ende Oktober das Politikmagazin "Panorama 3" veröffentlichte.

Die Profite der Mineralölkonzerne sind im zweiten Halbjahr geradezu explodiert, während für die Verbraucher die Preise für Energie in schwindelerregende Höhen schossen. Dazu beigetragen hat auch die vorsätzliche Ignorierung der real gehandelten russischen Diesel- und Gasölmengen für europäische Abnehmer im Platts-Index.

Den Hintergrund bildet, dass die am 3. Juni im EU-Amtsblatt veröffentlichte Verordnung 2022/879 das Ölembargo gegen Russland nicht sofort, sondern erst mit mindestens halbjähriger Verzögerung wirksam werden lässt. Laut Artikel 3m gilt das Embargo für Rohöl nicht bis 5. Dezember 2022 und das für Ölprodukte nicht bis 5. Februar 2023. Dennoch hatte der einflußreiche Preis-Informationsdienst "Platts", der dem in London ansässigen Unternehmen S&P Global Commodity Insights gehört, am 1. Juni dieses Jahres angekündigt, ab sofort die Preise für russisches Öl bei den Lieferungen von Diesel und Heizöl für Europa nicht mehr zu berücksichtigen. Begründet wurde diese Entscheidung mit "Rückmeldungen aus dem Markt". Außerdem hätten die von der Preisagentur "in den letzten Wochen beobachteten Marktaktivitäten eine deutliche Abkehr von Material russischer Herkunft auf dem Spotmarkt gezeigt".

Platts lieferte den Konzernen die Basis für ein faktisches Preiskartell

Das mochte auf den ersten Blick wie eine Unterstützung des EU-Ölembargos aussehen, lief aber auf das Gegenteil hinaus: Die europäischen Verbraucher von Diesel und Heizöl wurden so noch mehr geschröpft, als es ohnehin schon der Fall war. Faktisch lieferte "Platts" damit den großen Mineralölkonzernen die Basis für ein Preiskartell, das sie erst gar nicht untereinander abzusprechen brauchten. Es genügte, dass durch die Nichtberücksichtigung der billigeren russischen Lieferungen in den Platts-Notierungen eine virtuelle Verknappung eintrat. Zugleich konnten wegen der fehlenden Referenzwerte für russisches Öl höhere Preise verlangt werden, als der tatsächlichen Marktsituation entsprach. Die Platts-Notierungen sind nämlich vielfach schon in den geltenden Lieferverträgen als Preisgrundlage vereinbart oder dienen bei neuen Verträgen als Referenz. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Rückmeldungen aus der Branche, auf die sich Platts berief, die Nichteinbeziehung russischer Lieferungen befürworteten. Denn das Ignorieren der tatsächlich gezahlten Preise für russische Lieferungen nach Europa, die der Kreml quasi zu Schlussverkaufspreisen anbot, bedeutete Mehrgewinne für die Konzerne. Nach den NDR-Recherchen haben diese Preissteigerungen in Nordwesteuropa zu mehreren hundert Millionen Euro an zusätzlichen Gewinnen für die Dieselbranche geführt.

 

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