Februar 2024 |
240210 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der frühere Staatssekretär Patrick Graichen, der bis zu seinem Rücktritt im Mai 2023 als rechte Hand von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck galt, darf seinen Doktortitel behalten. Dies teilte die Universität Heidelberg am 14. Februar mit, nachdem sie auf Graichens Antrag hin die Plagiatsvorwürfe untersucht hat, die der Journalist Jochen Zenthöfer erhoben hatte. Bei Zenthöfers Kritik handelte es sich um eine Auftragsarbeit für die "Bild"-Zeitung, die damals gemeinsam mit AfD und Union eine Diffamierungskampagne gegen den Staatssekretär führte, um mit maßlos aufgebauschten Vorwürfen wegen angeblicher Vetternwirtschaft oder gar "Clan-Kriminalität" das damals noch ungetrübte Image seines Dienstherrn Robert Habeck zu beschädigen (230413, 230503).
Graichens Dissertation zum Thema "Kommunale Energiepolitik und die Umweltbewegung. Eine Public-Choice-Analyse der ‚Stromrebellen‘ von Schönau" war sicher kein besonderes Glanzstück. Sie bewegte sich auf dem üblichen Niveau solcher akademischen Pflichtübungen, bei denen sich in der Regel mehr oder weniger viele "Plagiatsfragmente" finden lassen, wenn man sie nur intensiv genug mit allen Mitteln der elektronischen Datenverarbeitung untersucht (womit vor über zwanzig Jahren, als Graichen den Text verfasste, allerdings noch nicht zu rechnen war). Zenthöfer fand dann auch 30 solcher "Plagiatsfragmente" aus zwei Aufsätzen eines Umweltsoziologen, die Graichen zwar anführe, ohne aber wörtlich übernommene Stellen als Zitate kenntlich zu machen. Es handele sich dabei um "Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis", lautete sein Befund, und auch "Täuschungsabsicht" sei naheliegend (230503).
Zumindest den zweiten Vorwurf wollte Graichen nicht auf sich sitzen lassen. Die für einen möglichen Titelentzug zuständige Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gab ihm da jetzt recht: Sie hat zwar mehrere Übernahmen von Inhalten Dritter festgestellt, die nicht mit den erforderlichen Quellenangaben gekennzeichnet sind. Sie konnte aber keine planmäßige oder systematische Täuschung erkennen. "Angesichts der geringen Zahl und des nicht systematischen Charakters der Plagiate wäre ein Titelentzug daher nicht verhältnismäßig", begründete sie ihre Entscheidung.
Anschließend wurde der Vorgang zur weiteren Bewertung an die Senatskommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft gegeben. Diese Kommission gelangte grundsätzlich zum selben Ergebnis. Sie empfahl aber dem Rektorat der Universität Heidelberg, eine Rüge wegen Verstoßes gegen die gute wissenschaftliche Praxis auszusprechen. Zugleich wird Patrick Graichen aufgefordert, diese Rüge allen öffentlich zugänglichen Exemplaren seiner Dissertation beizufügen und dies nachzuweisen. (Wer will, kann die 321 Seiten umfassende Dissertation, die im Campus-Verlag erschienen ist, als "Book on Demand" für 89 Euro im Internet bestellen; als elektronisch durchsuchbares E-Book ist sie für 84,99 Euro zu haben.)