November 2024

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ENERGIE-CHRONIK




So sah der Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee aus, der nun vor der kalifornischen Küste wiederholt werden soll, wobei der Durchmesser der Kugel mit neun Meter dreimal größer ist.
Foto: Fraunhofer IEE

Forscher testen Mini-Pumpspeicherkraftwerk vor der kalifornischen Küste

Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat einen Unterwasser-Energiespeicher entwickelt, der das Prinzip der Pumpspeicher-Kraftwerke auf den Meeresgrund überträgt. Nach erfolgreichem Feldtest mit einem kleineren Modell im Bodensee bereiten die Forscher nun mit Partnern einen Testlauf vor der kalifornischen Küste vor: Sie werden dort im Projekt "StEnSea" in 500 bis 600 Metern Tiefe eine hohle, 400 Tonnen schwere Betonkugel mit neun Metern Durchmesser verankern. Durch Leerpumpen wird der Speicher geladen. Strömt Wasser hinein, wird er entladen und Strom erzeugt. Die Leistung dieses Prototypen beträgt 0,5 Megawatt, die Kapazität 0,4 Megawattstunden.

Speichervolumen der Kugel entspricht vorläufig nur dem eines Swimmingpools

Das klingt mehr als bescheiden beim Vergleich mit der durchschnittlichen Leistung der deutschen Pumpspeicherkraftwerke, von denen die größeren (mit mindestens 10 MW) eine durchschnittliche Leistung von 337 MW erbringen (230505). Das ist fast siebenhundertmal soviel. Ein ähnliches Mißverhältnis besteht beim Speichervolumen: Bei dem im Bodensee getesteten Kugelbehälter entspricht es ungefähr dem Fassungsvermögen etlicher Badewannen und beim Prototypen mit neun Meter Durchmesser dem 27-mal so großen Volumen eines Garten-Schwimmbeckens. Dagegen verfügen normale Pumpspeicherkraftwerke über riesige Speicherbecken, auf denen mitunter sogar Schiffe verkehren.

Möglicher Einsatz für Arbitrage am Strommarkt und Bereitstellung von Regelreserve

Indessen sollen die StEnSea-Kugelspeicher nicht mit üblichen Pumpspeicherkraftwerken konkurrieren. Schon gar nicht eignen sie sich zur Überbrückung der "Dunkelflaute" bei einer hundertprozentigen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, sofern diese größtenteils auf der fluktuierenden Erzeugung von Windkraft- und Solarparks beruht. Mit diesem Problem der Kurz- und Langzeitspeicherung würden beim aktuellem Ausbaustand selbst die konventionellen Pumpspeicherkraftwerke nicht fertig. Der zweckmäßigste Weg zu einer nur auf erneuerbare Energien gegründeten Stromwirtschaft führt deshalb über Gaskraftwerke, die mit "grünem" Wasserstoff betrieben werden, der seinerseits per Elektrolyse aus "grünem" Strom erzeugt wird.

Die Kugelbehälter sind trotzdem kein Spielzeug. Sie sind durchaus für den Einsatz in der Energiewirtschaft gedacht. Nach Ansicht ihrer Entwickler eignen sich vor allem für zwei Geschäftsmodelle: zum einen für Arbitrage-Geschäfte, das heißt für Kauf- und Verkauf von Strom bei niedrigen bzw. hohen Börsenpreisen – und zum anderen für die Bereitstellung von Regelreserve, mit der Netzbetreiber die Stromnetze stabilisieren. Ähnlich wie bei Batteriespeichern ließen sich dabei durch die Zusammenschaltung etlicher solcher Kugelbehälter entsprechende Kapazitäten und Leistungen erzielen.

Ideal sind Wassertiefen von 600 bis 800 Meter

Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet. Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Meter aus wirtschaftlicher Perspektive ideale Standorte sind. Denn dort stehen Parameter wie der Druck, das nötige Kugelgewicht und die erforderliche Wandstärke in optimalem Verhältnis zueinander. Zudem kann man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen. Auch ist es hier nicht nötig, hochfesten Spezialbeton zu verwenden.

Mögliche Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in dieser Wassertiefe gibt es mehr als genug, wie eine GIS-Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei haben die Fachleute des Fraunhofer IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt. Vor Norwegen zum Beispiel, Portugal, der US-amerikanischen West- und Ostküste, Brasilien oder Japan könnten die Kugelspeicher in großer Zahl installiert werden. Ebenso eignet sich die Technologie für tiefe natürliche oder künstliche Seen, beispielsweise für geflutete Tagebaue.

Das globale Speicherpotenzial dieser Technologie liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Forscher bei insgesamt 817.000 Gigawattstunden. An den zehn besten europäischen Standorten seien es immer noch 166.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Kapazität der deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke beträgt gerade einmal knapp 40 Gigawattstunden. – Solche Schätzungen, Hochrechnungen und Vergleiche sollten freilich immer mit etwas Skepsis betrachtet werden.

Bei einem Durchmesser von 30 Meter könnten sechs Kugeln eine Gesamtleistung von 30 MW erbringen

Die Speicherkosten setzen die Forscher des Fraunhofer IEE mit rund 4,6 Cent pro Kilowattstunde an, die Investitionskosten mit 1.354 Euro pro Kilowatt Leistung und 158 Euro pro Kilowattstunde Kapazität. Die Lebensdauer der Betonkugel liege bei 50 bis 60 Jahren. Nach jeweils 20 Jahren müssten Pumpturbine und Generator getauscht werden. Bezogen auf einen ganzen Speicherzyklus sei die Effizienz mit 75 bis 80 Prozent etwas niedriger als bei einem klassischen Pumpspeicher-Kraftwerk. Diese Rechnung basiert auf einem Speicherpark mit sechs 30-Meter-Kugeln, einer Gesamtleistung von 30 Megawatt und einer Kapazität von 120 Megawattstunden sowie 520 Speicherzyklen pro Jahr.

Das Fraunhofer IEE arbeitet bei diesem Projekt zum einen mit dem US-amerikanischen Start-up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Zweiter Partner ist Pleuger Industries. Das deutschstämmige Unternehmen mit Hauptsitz in Miami gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Unterwasser-Motorpumpen, einer Schlüsselkomponente der StEnSea-Kugelspeicher.

Erster Kugelspeicher mit 9 Meter Durchmesser soll spätestens Ende 2026 in Betrieb gehen

Als Standort des ersten Speichers mit einem Durchmesser von 9 Meter haben die Partner ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Sie wollen ihn bis spätestens Ende 2026 in Betrieb nehmen. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Vorhaben mit knapp 3,4 Millionen Euro, das US-amerikanische Department of Energy mit rund vier Millionen US-Dollar.

Aber auch das soll nur ein Zwischenschritt ein, um zu überprüfen, ob und wie sich die in diesem Projekt gefundenen Lösungen auf eine 30-Meter-Kugel übertragen lassen, so dass der bereits erwähnte Speicherpark mit sechs Modulen eine Leistung von 30 MW erbringen könnte.

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