Mai 2023 |
230505 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Die Schwarzenbach-Talsperre ist das Kernstück des Rudolf-Fettweis-Werks bei Forbach im Schwarzwald. Am Fuß der Staumauer wird man vergebens nach einem Kraftwerk oder Druckleitungen suchen. Das Wasser wird nämlich über eine zweieinhalb Kilometer lange Leitung, die größtenteils unterirdisch verläuft, zum 355 Meter tiefer gelegenen Maschinenhaus an der Murg geleitet. Dort stehen auch die Turbinen der flußaufwärts gelegenen Murgtalsperre, deren Wasser ebenfalls über einen kilometerlangen Druckstollen zugeführt wird. Mit dem jetzt von der EnBW beschlossenen Umbau wird der Schwarzenbach-Stausee zum Oberbecken eines Pumpspeicherkraftwerks, dem ein in den Fels gesprengter Kavernenspeicher mit 200.000 Kubikmeter Fassungsvermögen als Unterbecken dient. Zugleich werden alle Turbinensätze erneuert und ebenfalls unterirdisch untergebracht. Foto: Wikipedia
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Die Energie Baden-Württemberg will ihre Pumpspeicher-Kapazitäten durch einen Umbau des seit über hundert Jahren bestehenden Speicherwasserkraftwerks bei Forbach im Schwarzwald erhöhen. Wie sie am 15. Mai mitteilte, wurde jetzt die Investitionsentscheidung getroffen. Die Gesamtkosten des Großprojekts liegen bei rund 280 Millionen Euro. Die Bauarbeiten beginnen frühestens im Herbst 2023 und sollen bis Ende 2027 abgeschlossen sein.
Das Rudolf-Fettweis-Werk, wie der Komplex genannt wird, umfasst neben der Schwarzenbachtalsperre (668,5 Meter) die tiefer gelegene Murgtalsperre (447 Meter) sowie das Kraftwerksgebäude in Forbach (313 Meter), das über kilometerlange Druckstollen das Wasser aus beiden Speichern aufnimmt und damit Strom erzeugt. Bei der Schwarzenbachtalsperre ergibt das bisher eine Leistung von 43 MW und bei der Murgtalsperre von 22 MW. Zusätzlich verfügt das Kraftwerk bisher über eine Pumpleistung von 20 MW, mit der es bei Stromüberschuss das Wasser aus der Murgtalsperre in den noch höher gelegenen Schwarzenbach-Speicher befördern kann. Die Gesamtanlage wurde in den Jahren 1914 bis 1926 errichtet. Ihren Namen bekam sie vom seinerzeitigen Vorstand der Badischen Landes-Elektrizitäts-Versorgung AG, der den letzten Bauabschnitt leitete.
Durch den Umbau wird die gesamte Kraftwerkstechnik in Forbach erneuert und unterirdisch als Kavernenkraftwerk in den benachbarten Berg verlegt. Zudem wird das in Forbach bereits bestehende Ausgleichsbecken um einen unterirdischen Kavernenwasserspeicher erweitert, der ein Fassungsvermögen von rund 200.000 Kubikmetern hat. Damit kann er künftig als Unterbecken für das Schwarzenbachwerk dienen, das in ein reguläres Pumpspeicherkraftwerk umgewandelt wird. An die Stelle der beiden Pelton-Turbinen mit insgesamt 43 MW tritt eine neue Pumpturbine mit einer elektrischen Leistung von rund 54 Megawatt und einer Leistungsaufnahme von 57 MW im Pumpbetrieb. Die fünf Francis-Turbinen des Murgwerks werden ebenfalls ersetzt, wobei die drei neuen Francis-Turbinen etwa dieselbe Gesamtleistung haben.
Ursprünglich wollte die EnBW die Umwandlung des Schwarzenbachwerks in ein Pumpspeicherkraftwerk mit dem Bau einer zusätzlichen neuen Oberstufe oberhalb der Talsperre kombinieren. Diese Planungen werden derzeit nicht weiterverfolgt, könnten aber jederzeit wieder aufgenommen werden, falls sich die Rahmenbedingungen für den Betrieb von Pumpspeicherkraftwerken wieder verbessern sollten.
Eigentlich würden gerade Pumpspeicherkraftwerke dringend benötigt, um die fluktuierende Einspeisung von Windkraft- und Solaranlagen auszugleichen, die den größten Teil des Stroms aus erneuerbaren Energien ausmacht und bis 2030 mindestens 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken soll. Der liberalisierte Strommarkt hat jedoch die Vorhaltung von Pumpspeicherkapazitäten für eine zeitliche Verschiebung zwischen Stromerzeugung und -verbrauch nicht honoriert, sondern eher belastet. Auch längst abgeschriebene Bestandsanlagen können deshalb nur noch rentabel arbeiten, wenn sie hauptsächlich in spekulativer Weise zur Ausnutzung von Schwankungen des Börsenstrompreises betrieben werden (siehe Hintergrund August 2014). Eine kurzsichtige Energiepolitik sah außerdem überhaupt keinen Bedarf für Stromspeicher, weil die für den Ausgleich zwischen Last und Erzeugung erforderliche Regelenergie jederzeit und kostengünstiger durch schnell verfügbare Gaskraftwerke bereitgestellt werden könne (210506).
Schon 2014 befand eine vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie, dass Pumpspeicherkraftwerke am Markt für Regelenergie oder beim vortägigen Börsenhandel nicht mithalten könnten, weil sich der Ausgleich von Last- und Erzeugungsschwankungen mittels Steinkohle- oder Gaskraftwerken meistens billiger bewerkstelligen lasse. Das drücke die erzielbaren Preise. Hinzu komme, dass die Solarstromerzeugung viele mittäglichen Lastspitzen kompensiere, die früher mit Strom aus Pumpspeicherkraftwerken abgedeckt wurden. Der Neubau von Pumpspeicherkraftwerken lohne sich unter diesen Umständen nicht (140804).
Als 2015 der Vattenfall-Konzern seine Braunkohle-Kraftwerke Boxberg, Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Lippendorf zu verkaufen versuchte, bot er sie im Paket mit seinen sieben ostdeutschen Pumpspeicherkraftwerken an (150902). Im Unterschied zu den 13 Braunkohle-Blöcken waren die Wasserkraftanlagen aber nicht umsonst zu haben. Der tschechische EPH-Konzern, der Vattenfall die Braunkohle-Lasten gegen Aufgeld abnahm, zeigte deshalb an ihrer Übernahme trotz des Schnäppchenpreises kein Interesse (160401).
Im Oktober 2017 verzichtete dann auch die EnBW auf das seit 2008 geplante Projekt des neuen Pumpspeicherkraftwerks Atdorf im Südschwarzwald, aus dem sich RWE schon drei Jahre früher zurückgezogen hatte. Ursprünglich handelte es sich um ein gemeinsames Vorhaben der beiden Konzerne, denen jeweils die Hälfte an der Schluchseewerk AG gehört, die über fünf Pumpspeicherkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1836 MW verfügt. Mit Atdorf wären weitere 1400 MW hinzugekommen. Die EnBW begründete ihre Entscheidung damit, dass sich in den vergangenen Jahren weder die energiewirtschaftlichen noch die regulatorischen Rahmenbedingungen für Pumpspeicherkraftwerke positiv entwickelt hätten (171002). Aber das könnte sich mit der Ampelkoalition noch ändern. Die Investitionsentscheidung für den Umbau des Wasserkraftwerks Forbach zum Pumpspeicherkraftwerk signalisiert, dass man zumindest bei der EnBW die Entwicklung der Rahmenbedingungen für den Bau und Betrieb solcher Anlagen wieder günstiger einzuschätzen scheint.
Größter Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken ist die Vattenfall Wasserkraft GmbH, die an sieben Standorten über 29 Erzeugungseinheiten mit einer Gesamtleistung von 2793 MW verfügt (siehe Tabelle 1). Es folgen in größerem Abstand die Schluchseewerk AG mit 1786 MW, die EnBW mit 1631,7 MW und RWE mit 1456 MW. Der Abstand ist allerdings nicht so groß, wie es scheint, da das Schluchseewerk jeweils zur Hälfte RWE und EnBW gehört. Faktisch verfügen Vattenfall, EnBW und RWE über mehr als vier Fünftel der gesamten Pumpspeicher-Leistung von 9446,2 MW. Bei der TIWAG, die mit ihrer Einspeisungsleistung ins deutsche Netz an fünfter Stelle liegt, handelt es sich um ein Wasserkraftunternehmen, das zu hundert Prozent dem österreichischen Bundesland Tirol gehört.
Betrachtet man die ins deutsche Netz einspeisenden Pumpspeicherkraftwerke nach den Regionen, in denen die Standorte liegen, hat Österreich mit einer Kapazität von 2331 MW sogar die Nase vorn (Tabelle 2). Davon entfallen allerdings nur 34 Prozent auf die TIWAG und knapp zwei Drittel auf die Illwerke im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Dass die Illwerke in der Betreiberliste nicht auftauchen, liegt daran, dass sie die Verfügung über diese Pumpspeicher-Kapazitäten vertraglich an die EnBW abgegeben haben. Über deren Einsatz wird also nicht in Bregenz, sondern in Karlsruhe entschieden. Auch das kleine Luxemburg, wo RWE das große Pumpspeicherkraftwerk Vianden betreibt, leistet mit 1294 MW einen unverhältnismäßig großen Beitrag zur Stabilisierung des deutschen Stromnetzes. Insgesamt befinden sich so gut 38 Prozent der deutschen Pumpspeicher-Wasserkraft im Ausland. Von den deutschen Bundesländern verfügt Baden-Württemberg, wo Schluchseewerk und EnBW beheimatet sind, mit 1875,7 MW über die größten Pumpspeicher-Kapazitäten. Es folgen Thüringen (1509,2 MW), Sachsen (1085 MW) und Bayern (585,5 MW).
In der Hälfte der 16 Bundesländer gibt es kein einziges Pumpspeicherkraftwerk. Das hat vor allem mit der Topographie zu tun. Vor allem im norddeutschen Flachland mangelt es an den erforderlichen Höhenunterschieden im Gelände. Dass Schleswig-Holstein dennoch in der Liste auftaucht, verdankt es einer 90 Meter hohen Endmoräne aus der Eiszeit, die vor 65 Jahren den "Hamburgischen Electricitätswerken" den Bau des Pumpspeicherkraftwerks Geesthacht ermöglichte. Als Unterbecken dient dabei die Elbe, was wegen deren Verschmutzung eine Menge Sondermüll ins Oberbecken spülte und dem heutigen Eigentümer Vattenfall große Probleme bereitet (170610). Weitere Details sind der Liste aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke zu entnehmen.
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