September 2015

150902

ENERGIE-CHRONIK


 

Nur im Paket zu haben: Zusätzlich zu den 13 Braunkohle-Blöcken an den Standorten Boxberg, Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Lippendorf bietet Vattenfall auch seine sieben ostdeutschen Pumpspeicherkraftwerke zum Verkauf an.

Fotos (2): Vattenfall

Vattenfall sucht per Anzeige nach Interessenten für die Braunkohle

Der schwedische Vattenfall-Konzern veröffentlichte am 22. September in der "Financial Times" eine Anzeige, um Interessenten für sein deutsches Braunkohlegeschäft zu finden. Den Verkauf dieses Unternehmensteils hat er bereits grundsätzlich vor knapp einem Jahr beschlossen und auch bekanntgegeben (141103). Einziger Interessent scheint aber bisher der tschechische Energiekonzern EP Energy zu sein, dessen Preisvorstellungen nicht unbedingt der zehnstelligen Summe entsprechen, die Vattenfall gern erzielen würde. Die Anzeige in dem Wirtschaftsblatt ist deshalb ein letzter Versuch, zumindest noch ein weiteres Unternehmen ausfindig zu machen, das bis zum 6. Oktober eine Interessenbekundung abgibt. Falls dies nicht gelingt, müßte Vattenfall sein Braunkohlegeschäft entweder den Tschechen zum Schnäppchenpreis überlassen oder den Bieterprozeß abbrechen.

Zum Verkauf steht das gesamte Geschäft der Braunkohleverstromung und des Braunkohletagebaus, das Vattenfall vor 24 Jahren in Ostdeutschland von dem damaligen Verbundunternehmen Veag und dem Braunkohleförderer Laubag übernommen und weiter ausgebaut hat (010506). Bei den Kraftwerken handelt es sich um Jänschwalde (6 Blöcke mit 2790 MW), Schwarze Pumpe (2 Blöcke mit 1500 MW), Boxberg (4 Blöcke mit 2427 MW) und den Block R in Lippendorf (875 MW). Insgesamt ergibt das eine Kraftwerkskapazität von 7592 MW (netto). Mitverkauft werden die dazugehörigen Tagebaubetriebe in der Lausitz (Jänschwalde, Nochten, Reichwalde, Welzow-Süd und Cottbus Nord).

Braunkohlekraftwerk
Inbetriebnahme
MW (netto)
siehe hierzu auch
Boxberg N
1979
465
Boxberg P
1980
465
Boxberg Q
2000
857
Boxberg R
2012
640
Jänschwalde A
1981
465

960707
000911
080513
130903

Jänschwalde B
1982
465
Jänschwalde C
1984
465
Jänschwalde D
1985
465
Jänschwalde E
1987
465
Jänschwalde F
1989
465
Schwarze Pumpe A
1997
750
Schwarze Pumpe B
1998
750
Lippendorf R
2000
875
insgesamt
7.592
 

Zusätzlich können die Interessenten alle ostdeutschen Pumpspeicherkraftwerke erwerben

Wie Vattenfall in einer knappen Pressemitteilung vom 22. September weiter wissen ließ, haben potentielle Interessenten außerdem die Möglichkeit "zusätzlich zum deutschen Braunkohlegeschäft für ein Portfolio von zehn Wasserkraftwerken zu bieten, die nicht weit vom Braunkohlerevier in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt beheimatet sind". Die Wasserkraftanlagen stünden allerdings nicht separat zum Verkauf.

Auf Nachfrage war zu erfahren, daß es sich dabei um die sieben Pumpspeicherkraftwerke handelt, die im Bereich des ostdeutschen Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz in die Höchst- und Hochspannungsebene einspeisen. Der Rest der genannten zehn Wasserkraftwerke sind drei unbedeutende ostdeutsche Laufwasser-Anlagen, deren Leistungen im einstelligen Megawatt-Bereich liegen.

Der Vattenfall-Konzern hat einst sämtliche Pumpspeicherkraftwerke der ehemaligen DDR übernommen, für deren Lastmanagement diese Anlagen sehr wichtig waren, da die Stromerzeugung fast ausschließlich mit unflexiblen Braunkohlekraftwerken erfolgte. Außerdem hat er 2004 mit Goldisthal noch ein besonders leistungsfähiges Werk hinzugefügt (030211). Mit einer Gesamtkapazität von 2793 MW ist er der größte Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken in Deutschland (siehe Hintergrund). Für einen Käufer der 13 Braunkohle-Blöcke kann es durchaus sinnvoll oder sogar zwingend sein, zugleich die sieben ostdeutschen Pumpspeicherkraftwerke zu erwerben. Nach dem Verkauf aller ostdeutschen Anlagen mit einer Nettoleistung von insgesamt 2674 MW würde Vattenfall nur noch das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht gehören, das an das Hamburger Hochspannungsnetz angebunden ist:

Pumpspeicherkraftwerk
Inbetriebnahme
MW (netto)
Geesthacht
1958
119,1
Goldisthal
2004
1.052,0
Hohenwarte 1
1959
59,8
Hohenwarte 2
1966
317,8
Markersbach
1980
1.045,2
Niederwartha
1957
39,8
Bleiloch
1932
79,8
Wendefurth
1967
79,7
insgesamt
2.793,2

In seiner Pressemitteilung bekannte sich der Vattenfall-Konzern "weiterhin uneingeschränkt zu seinen anderen Geschäftsbereichen in Deutschland wie Fernwärme, Netze, Vertrieb, Großhandel und Windenergie". Eine komplette Bestandsgarantie für die restlichen Kraftwerkskapazitäten läßt sich daraus aber nicht herauslesen. Wenn ihm der Verkauf aller ostdeutschen Braunkohle- und Pumpspeicherkraftwerke gelingt, verbleiben von 14277 MW Kraftwerkskapazität, die in der aktuellen Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur erfaßt sind, noch 4011 MW. Nach Energieträgern entfallen davon 1449 MW auf Erdgas, 1018 MW auf Steinkohle, 682 MW auf Öl, 588 auf Mischfeuerung, 119 MW auf Pumpspeicher, 83 MW auf Müll und 72 MW auf Windkraft.

 

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