Oktober 2025

251003

ENERGIE-CHRONIK


Behörden finden keine Anhaltspunkte für Strompreis-Explosion durch Marktmanipulation

Die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt legten am 21. Oktober einen Bericht zum explosionartigen Anstieg der Großhandelspreise für Strom vor, der sich im November und Dezember vorigen Jahres am Spotmarkt der Börse ereignete. Beide Behörden gelangen darin zu dem Schluss, dass dieser Preisanstieg zwar durch einen Mangel an steuerbarer Kraftwerkskapazität im Inland verursacht wurde, aber nicht auf einer vorsätzlichen Marktmanipulation beruhte.

Netztechnische Datengrundlagen müssen verbessert werden

"Dunkelflauten, wie sie im November und Dezember 2024 auftraten, werden auch in Zukunft vorkommen", betont die Bundesnetzagentur zum Schluß des Berichts. Um für solche Situationen langfristig ausreichend Erzeugungskapazitäten vorhalten zu können, seien gesetzgeberische Maßnahmen für den Zubau steuerbarer Kapazitäten weiterhin dringend geboten. Ferner müssten die netztechnischen Datengrundlagen verbessert werden, um solche Situationen künftig schneller und besser einschätzen zu können. Vor allem bedürfe es "präziserer Informationen über effektiv verfügbare Erzeugungskapazitäten und deren Nichtverfügbarkeiten" sowie über die Werte zur Einspeisung in andere Netze als die der allgemeinen Versorgung.

Bericht untersucht zwei "Dunkelflauten" im November und Dezember 2024

Neben dem 11. und 12. Dezember 2024, als der Day-ahead-Preis pro Megawattstunde 13 Stunden lang bis auf 1000 Euro stieg (241201), untersucht der Bericht eine ähnliche Hochpreisphase vom 5. bis zum 7. November 2024, in der kurzzeitig sogar 1400 Euro erreicht wurden. In beiden Fällen konnte wegen einer anhaltenden "Dunkelflaute" ein erhöhter Bedarf an Regelenergie nicht mit Strom aus den im Inland verfügbaren steuerbaren Kraftwerken abgedeckt werden. Es musste deshalb auf Importe zurückgegriffen werden, die aber so teuer waren, dass sich dadurch der Preis der Megawattstunde bis auf das zwölffache des monatlichen Durchschnittswerts erhöhte.

Weshalb stand die steuerbare Kraftwerkskapazität nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung?

Die Ursache des Preisanstiegs war insoweit klar. Es tauchte aber die Frage auf, weshalb so wenig steuerbare Kraftwerkskapazität zur Abdeckung der erhöhten "Residuallast" zur Verfügung stand. Denn "Dunkelflauten" sind nichts ungewöhnliches. Sie treten jährlich mehrfach und besonders in der kalten Jahreszeit auf. Sie sind durchaus beherrschbar und bedeuten keineswegs eine Gefährdung oder gar den Zusammenbruch der Stromversorgung, wie der Begriff oft mißverstanden wird. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass das notwendige Instrumentarium an steuerbarer Kraftwerkskapazität bereitgehalten wird.

Dieses notwendige Instrumentarium war bei beiden Hochpreisphasen zwar theoretisch vorhanden, aber in der Praxis nicht ausreichend verfügbar, weshalb nur der Rückgriff auf teuere Importe blieb. Insoweit lag ein Versagen des Strommanagements vor, das sich nicht wiederholen durfte. Daraus ergab sich dann aber die weitere Frage, ob dieses Versagen nur auf Fahrlässigkeit zurückzuführen war oder – horribili dictu – auf die Geldgier von Kraftwerksbetreibern, die durch eine künstliche Verknappung von Kraftwerkskapazitäten sowohl den Preis für Regelenergie als auch den daraus resultierenden Großhandelspreis in die Höhe treiben wollten.

Eine derartige Trickserei wäre ein krasser Verstoß gegen die sogenannte REMIT-Verordnung über "Integrität und Transparenz des Energiemarkts", die 2011 zur Unterbindung von Insiderhandel und Preismanipulation erlassen wurde (110903). Und auch das Bundeskartellamt war aufgefordert, dem Verdacht auf Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften nachzugehen.

"Keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Kartellrecht oder gegen REMIT "

Beide Behörden geben nun in dieser Hinsicht Entwarnung, nachdem im Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums vom Januar 2025 dieser Aspekt gar nicht untersucht, sondern wegen der Schwierigkeit der dafür erforderlichen Ermittlungen einfach ausgeblendet wurde (250111). Als "zentrale Ergebnisse für die betroffenen fünf Tage" nennen sie:

Die durchgeführten Untersuchungen des Kraftwerkseinsatzes und des Stromangebotes haben keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Kartellrecht oder gegen REMIT erbracht.

• Die steuerbaren Kraftwerkskapazitäten waren deutlich höher ausgelastet als unmittelbar nach dem Ereignis medial dargestellt.

• Die sichere Stromversorgung war zu jedem Zeitpunkt gewährleistet.

Eher ein Freispruch mangels Beweises

Der dritte Punkt stand allerdings ohnehin nie in Frage. Der zweite besagt auch nicht mehr, als dass es in Medienberichten überhöhte Schätzungen des verfügbaren, aber nicht aktivierten Kraftwerkspotentials gegeben hat. Und das im ersten Punkt formulierte Hauptergebnis ist kein Freispruch wegen hundertprozentig erwiesener Unschuld, sondern eher mangels Beweises.

So fand die Bundesnetzagentur durchaus Hinweise, "dass einzelne Bieter in der Knappheitssituation nicht rein nach Grenzkosten geboten haben". Indessen sei ein Gebot über den Grenzkosten für sich allein noch kein REMIT-Verstoß: "Der Energy Only Markt ist so ausgestaltet, dass Unternehmen in Knappheitsphasen Deckungsbeiträge erwirtschaften können. Diese Beiträge dienen der Refinanzierung von Investitionskosten und schaffen Anreize, in Spitzenlastkraftwerkskapazitäten sowie in Flexibilitätsoptionen zu investieren. Ein REMIT-Verstoß wäre erst dann anzunehmen, wenn die Umstände des Einzelfalls darauf hindeuten."

In ähnlicher Weise gibt das Bundeskartellamt zu bedenken, wie schwierig es ist, die tatsächliche Nichtverfügbarkeit eines Kraftwerks zu überprüfen und von vorsätzlicher Marktmanipulation zu unterscheiden: "Nichtverfügbarkeiten ergeben sich grundsätzlich aus einem komplexen Zusammenspiel technischer und ökonomischer Gegebenheiten. Ebenso komplex ist daher die Plausibilisierung der für die Nichtverfügbarkeit angegebenen Gründe. Insbesondere bedarf es einer kraftwerksspezifischen Einzelfallwürdigung der Umstände. Daher kann aus der Perspektive einer Untersuchungsbehörde nicht für jede einzelne gemeldete Nichtverfügbarkeit mit letzter Sicherheit geschlussfolgert werden, dass das entsprechende Kraftwerk zurecht als nicht einsatzbereit gemeldet wurde."

 

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