Oktober 1991

911008

ENERGIE-CHRONIK


Demonstranten machen KKW Krümmel für Leukämie-Häufung verantwortlich

Die Umweltorganisation Robin Wood und die "Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch" haben am 9.10. zeitweise das Haupttor des KKW Krümmel blockiert. An einem Strommasten zwischen dem KKW und der benachbarten "Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt" (GKSS) hißten sie ein riesiges Totenkopf-Transparent. Die Demonstranten setzten die Aktion eine Woche lang fort. Sie wollten damit auf die erhöhte Leukämie-Rate in der Gemeinde Elbmarsch südlich vom KKW Krümmel und einen angeblichen Zusammenhang mit den beiden Nuklear-Anlagen aufmerksam machen. Die Bürgerinitiative übergab dem schleswig-holsteinischen Energieminister Günther Jansen (SPD) mehr als 10.000 Unterschriften von Bürgern, die ein Abschalten der beiden Anlagen fordern. Jansen sicherte die Einsetzung einer speziellen Fachkommission zur Untersuchung der Leukämie-Erkrankungen zu, wies aber die Forderung nach Abschaltung zurück, da der behauptete Zusammenhang nicht erwiesen sei. (die tageszeitung, 10. 10., dpa, 14. 10.; siehe auch 910807).

Die Kernkraftwerk Krümmel GmbH (KKK) hat aus Anlaß der Demonstration nochmals darauf verwiesen, "daß sich die Strahlenbelastung der Bevölkerung durch den Betrieb des Kernkraftwerks Krümmel nicht meßbar erhöht hat" und sich von daher kein Zusammenhang mit den Leukämiehäufungen herstellen lasse. Mit den regelmäßigen Messungen sei bereits 1981, also zwei Jahre vor Inbetriebnahme des Reaktors, begonnen worden. Die KKK hat aus rund 50.000 Daten einen "Statusbericht zur Umweltradioaktivität der kraftwerksnahen Umgebung für den Zeitraum 1981 bis 1990" erarbeitet, der im Informationszentrum für jedermann zur Einsicht ausliegt.

Warnung vor voreiligen Schlüssen

In einem grundsätzlichen Artikel zur lokalen Häufung von Leukämie-Erkrankungen gab die Frankfurter Rundschau (26.10.) zu bedenken, daß z.B. auch Viren als Ursache für den "Leukämie-Cluster" in der Gemeinde Elbmarsch in Frage kommen könnten. Auf diese Weise ließe sich zugleich erklären, weshalb "bereits in den vierziger Jahren Leukämie-Cluster beschrieben wurden, lange bevor die erste Atomanlage in Betrieb ging". Gegen einen eindeutigen Zusammenhang von Radioaktivität und Leukämie spreche ferner die Tatsache, daß in den sechziger Jahren nicht mehr Menschen als heute an Leukämie erkrankt seien, obwohl die gesamte Bevölkerung damals infolge der oberirdischen Atomwaffentests der Großmächte einer weit höheren Belastung ausgesetzt gewesen sei. "Weder Experten noch die Öffentlichkeit sollten sich dazu verleiten lassen, die Schuld an den Erkrankungen pauschal nur der Radioaktivität zuzuschieben. Die Nähe zu einem Kernkraftwerk schließt nicht die Wirkung anderer immunschädigender Mechanismen aus."