Juni 1994

940605

ENERGIE-CHRONIK


DIW-Studie hält Energie-Steuer für wirtschaftlich und sozial verträglich

Eine ökologische Steuerreform sei "auch im nationalen Alleingang möglich". Sie würde nicht nur den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kohlendioxid-Emissionen senken, sondern auch wirtschaftlich und sozial verträglich sein. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace ausgearbeitet hat und die am 8.6. in Hamburg der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (SZ, 9.6.; FR, 9.6.; FAZ, 9.6.; Welt, 9.6.; siehe auch 940503).

Die Studie schlägt vor, alle Energieträger ab 1995 mit einem einheitlichen Steuersatz "je Einheit Energiegehalt" zu belasten, was binnen zehn Jahren den Preis für Normalbenzin um 24 Prozent, den Strom für Haushalte um 46 Prozent und leichtes Heizöl für Haushalte um 73 Prozent verteuern würde. Die regenerativen Energien sollen ausgenommen bleiben, um sie wettbewerbsfähiger zu machen. Der Energieverbrauch könne dann trotz Wirtschaftswachstums erheblich sinken. Die steuerlichen Mehreinnahmen sollen anschließend Unternehmen und privaten Verbrauchern aufkommensneutral erstattet werden. Den Unternehmen soll eine entsprechende Senkung ihrer Beiträge zur Sozialversicherung und den Privathaushalten ein einheitlicher "Öko-Bonus" pro Kopf gewährt werden. Sparsamer Energieverbrauch würde sich dadurch lohnen.

Der Leiter des DIW-Projektes, Michael Kohlhaas, räumte ein, daß kapital- und energieintensive Branchen wie Eisen, Stahl oder Grundstoffchemie durch die Energiesteuer zusätzlich belastet würden. Hingegen würden jedoch arbeitsintensive Branchen profitieren, womit die vorgeschlagene Steuer zugleich einen "beschäftigungsfördernden Strukturwandel auslösen" und die gegenwärtige Arbeitslosigkeit abbauen helfen würde.

Bundesumweltminister Klaus Töpfer bezeichnete die DIW-Studie als "sehr eindimensional", weil sie die strukturellen Wirkungen eines nationalen Alleingangs nicht hinreichend berücksichtige (Neue Zeit, 20.6.)

"Keine Kaffeesatzleserei, sondern Resultat seriöser Ökonometrie"

Für die Süddeutsche Zeitung (10.6.) beweist die DIW-Studie, daß eine Energiesteuer "kein Teufelszeug" sei und auch bei einem nationalen Alleingang "kein Rückfall ins Steinzeitalter" eintreten werde: "Diese vom DIW präsentierten Ergebnisse entstammen keiner Kaffeesatzleserei, sondern sind das Resultat seriöser Ökonometrie. Unter diesem Blickwinkel wird es künftig nicht mehr so leicht, das ökologisch Sinnvolle zu blockieren, wenn es noch dazu ökonomisch einen Sinn ergibt."

Die Frankfurter Rundschau (9.6.) meinte: "Wer zustimmt, daß es so nicht weitergehen kann, daß neue ökologisch-ökonomische Perspektiven vonnöten sind, hat nun eine weitere Argumentationsgrundlage. Daß Greenpeace sie finanziert hat, sollte niemanden abschrecken. Das DIW hat schließlich einen Ruf zu verlieren."

Für Die Zeit (10.6.) haben die DIW-Wissenschaftler zum ersten Mal den Nachweis erbracht, daß eine ökologische Steuerreform sinnvoll und sozialverträglich ist. Die Studie sei damit - so die Überschrift des Artikels - eine "Ohrfeige für die Bremser".

Dagegen verweist das Handelsblatt (15.6.) auf ein noch nicht veröffentlichtes Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), das die Wirkungen einer progressiven Energiesteuer untersucht und dabei zu erheblich anderen Schlußfolgerungen gelangt als die DIW-Studie. Das RWI-Gutachten belege, "daß durch einen nationalen Alleingang gravierende Standortverlagerungen zu Lasten der Bundesrepublik verursacht werden".