April 1995 |
950406 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das zweite Treffen zwischen Koalition und SPD im Rahmen der neuen Energiekonsens-Runde verlief am 24.4. ergebnislos. Im Streit um die Kernenergie brachte die fünfstündige Verhandlung keinerlei Annäherung. Union und FDP lehnten daraufhin auch die vorbereitete Bildung einer Arbeitsgruppe ab, die bis zum Sommer Vorschläge zum Energiesparen und zur Förderung erneuerbarer Energien erarbeiten soll. Die Verhandlungen sollen nun am 21.6. fortgesetzt werden. Beide Seiten äußerten sich pessimistisch zu den Aussichten für eine Einigung und gaben sich gegenseitig die Schuld, mit ihrer jeweiligen Haltung zur Kernenergie die Gespräche zu blockieren (DPA, 24.4.; FAZ, 25.4.; SZ, 25.4.; FR, 25.4; siehe auch 950303).
Zu Beginn der Gespräche hatten beide Seiten ihre gegensätzlichen Positionen zum Castor-Transport bekräftigt. Die SPD wertete den Transport zum Zeitpunkt der Gespräche als Provokation. Umweltministerin Angela Merkel (CDU) sagte dazu, daß der Termin von der niedersächsischen Landesregierung in Absprache mit anderen beteiligten Ländern festgelegt worden sei (DPA, 25.4.).
Nach Ansicht der Frankfurter Allgemeinen (26.4.) tut die Koalition gut daran, einen Ausstieg aus der Kernenergie zu verweigern: "Es ist sicherlich keine leichte Aufgabe, gegen verbreitete Ängste den Platz der Kernkraft zu entwerfen und öffentlich zu vertreten. Aber Politik stellt bisweilen Aufgaben, die schwierig zu lösen sind. Vertagen hilft nicht weiter."
Nach Meinung der Stuttgarter Zeitung (25.4.) sollte ebenfalls an der nuklearen Option festgehalten werden: "Ob in zehn Jahren tatsächlich neue Reaktoren gebaut werden, muß heute nicht entschieden werden. Aber die Möglichkeit darf nicht heute schon verbaut werden. Besser vorerst gar kein Energiekonsens als ein fauler Kompromiß, noch dazu erzielt unter dem Druck des ideologisch geprägten und militant geführten Streits um den Castortransport."
Für den Kommmentator der tageszeitung
(22.4.) bildet dagegen der Ausstieg aus der Kernenergie die Voraussetzung
der Konsensgespräche: "Nicht etwa deswegen, weil einige
politische Parteien das so wollen, sondern weil die Atomwirtschaft
bereits damit begonnen hat. Ihr Spiel ist verloren, das monatelange
Drama um ein paar abgebrannte Brennstäbe in einem sündhaft
teuren Stahlbehälter ist dafür nur einer von vielen
Beweisen."