Juli 1995

950701

ENERGIE-CHRONIK


Siemens verzichtet auf Fertigstellung der neuen Mischoxid-Anlage in Hanau

Die Firma Siemens und die deutschen Kernkraftwerksbetreiber sehen sich gezwungen, die Herstellung von Mischoxid-Brennelementen in Deutschland aufzugeben. Wie Siemens am 7.7. mitteilte, gibt es "unter den herrschenden politischen Rahmenbedingungen" keine Möglichkeit, die neue Anlage zur Herstellung von Mischoxid-Brennelementen in Hanau fertigzustellen. Die Einrichtungen in dem neuen Fertigungsgebäude und eine Kernmannschaft von Spezialisten würden jedoch bis auf weiteres verfügbar gehalten, bis die Chancen des Vorschlags geklärt sind, die neue Hanauer Anlage für die Verarbeitung russischen Waffenplutoniums in Brennstäben zu verwenden (FAZ, 8.7.; SZ, 8.7.).

Siemens verwies darauf, daß die deutschen Kernkraftwerksbetreiber entschieden haben, die Fertigstellung der Neuanlage nicht über den 30.6. hinaus zu finanzieren (siehe 950607).

Die Betriebsbereitschaft der bestehenden Mischoxid-Fertigung mußte bereits im April 1994 aufgegeben werden, weil von der hessischen Landesregierung keine Zustimmung für den Weiterbetrieb zu erhalten war (siehe 940403). Das Plutonium, das bei der Wiederaufarbeitung von Brennelementen in Frankreich und England anfällt, wird künftig in ausländischen Produktionsstätten zu Mischoxid-Brennelementen verarbeitet. Im Herbst dieses Jahres wird Siemens, wie angekündigt, auch die Herstellung von Uran-Brennelementen in Hanau endgültig einstellen (siehe 941205).

Von den ursprünglich rund 2000 Mitarbeitern in Hanau sollen bis Ende September nächsten Jahres nur noch 430 Personen tätig sein. Sie werden das Plutoniumlager betreuen, die Stillegung und den Rückbau betreiben sowie gegebenenfalls die befristete Aufrechterhaltung des Mischoxid-Know-hows für Abrüstungszwecke gewährleisten.

In einem Interview mit Die Woche (6.7.) erteilte der russische Atomminister Wiktor Michailow den Plänen zur Verarbeitung russischen Waffenplutoniums in Hanau eine Absage: "Es hat zu diesem Thema keine Gespräche gegeben und es wird auch künftig keine geben, weil wir das Waffenplutonium auf keinen Fall nach Deutschland liefern werden" (siehe auch 950509).

Nach Meinung der Süddeutschen Zeitung (10.7.) wird sich für die neue Mischoxid-Fabrik in Hanau kaum noch eine Verwendung finden lassen: Einerseits sei unklar, ob und zu welchen Bedingungen die Russen ihr Plutonium in Hanau verwerten lassen wollten, und andererseits sei es "eher unwahrscheinlich, daß eine MOX-Anlage im Dienste der Russen mehr Akzeptanz fände als eine im Dienste deutscher Kernkraftwerke".

Die Berliner Zeitung (8.7.) kommentierte: "Man mag es bedauern oder beklatschen: Der Verzicht auf die Aufarbeitung in Hanau ist ein weiterer Schritt auf dem langen Weg zum völligen Ausstieg aus der Atomwirtschaft."