April 1996

960402

ENERGIE-CHRONIK


Erweiterung des europäischen Stromverbunds drückt auf die Preise am Spot-Markt

Ein Überangebot kennzeichnet derzeit den europäischen Spot-Markt für Strom. Im vergangenen Winter wurde die Kilowattstunde von den Erzeugern teilweise für zwei bis drei Pfennig angeboten, womit die Preise bei einem Drittel des Niveaus der letzten Jahre lagen. Diese Mitteilung machte Ernst Hagenmeyer vom Vorstand der Energie-Versorgung Schwaben (EVS) anläßlich der 100. Vollversammlung der europäischen Stromverbundorganisation UCPTE, die vom 16. bis 19.4. in Stuttgart stattfand. Als wichtigsten Grund für den Preisverfall nannte Hagenmeyer die Überkapazitäten in den neuen Bundesländern und den Centrel-Staaten, die vergangenes Jahr an das UCPTE-Netz angeschlossen worden waren (siehe 950902 u. 951001). Mit der anstehenden Liberalisierung der Strommärkte in Europa könne sich der Druck auf die Strompreise noch verstärken.

"Keine technische Grenze des Verbunds erkennbar"

Die vorläufige Zusammenschaltung der Centrel-Staaten mit dem UCPTE-Netz habe sich bewährt. Angesichts der guten Erfahrungen sei es gerechtfertigt, Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei noch vor dem Jahr 2000 endgültig in das UCPTE-Netz einzubeziehen. Noch in diesem Jahr werde durch die Meerenge von Gibraltar ein Kabel verlegt, um die Ankopplung von Marokko, Tunesien und Algerien an das UCPTE-Netz zu ermöglichen. Später sollen Seekabel von Nordafrika nach Sizilien und von Italien nach Griechenland den "Mittelmeerring" schließen. "Technisch sind keine Grenzen des Verbunds erkennbar", sagte Hagenmeyer, der bei der EVS für die Bereiche Energiewirtschaft und Netze verantwortlich ist und seit Herbst vorigen Jahres als Erster Vorsitzender der Deutschen Verbundgesellschaft (DVG) amtiert (SZ, 17.4.; Handelsblatt, 17.4.).

Ex-Jugoslawien und Griechenland sollen so rasch wie möglich wieder angebunden werden

In der 1951 gegründeten UCPTE (Union für die Koordinierung der Erzeugung und des Transports elektrischer Energie) arbeiten Verbundunternehmen und staatliche Stellen aus zwölf westeuropäischen Ländern zusammen. Auf ihrer 100. Vollversammlung in Stuttgart beschlossen die rund 70 Repräsentanten der westeuropäischen Energiewirtschaft, die Länder des ehemaligen Jugoslawien so rasch wie möglich wieder an das UCPTE-Netz anzuschließen. Wegen des Kriegs in Jugoslawien mußte dieses Land vom westeuropäischen Netz abgekoppelt werden, wodurch auch die Verbindung Griechenlands mit dem UCPTE-Netz unterbrochen wurde. Bevor es zum Wiederanschluß kommt, müssen im ehemaligen Kriegsgebiet Tausende von Minen unter Hochspannungsleitungen entschärft und zerstörte Umspannwerke wieder funktionsfähig gemacht werden (Stuttgarter Zeitung, 20.4.; SZ, 20.4.).