April 1997 |
970401 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit einer Mehrheit von acht Stimmen (bei vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen) beschlossen am 10.4. die Finanzminister der Bundesländer in Bonn, daß die Stromversorger ihre Entsorgungs-Rückstellungen, soweit sie den Betrieb eines Endlagers betreffen, auflösen und damit nachversteuern müssen. Die Finanzminister argumentieren damit, daß das Endlager in Gorleben seinen Betrieb frühestens im Jahr 2030 aufnehmen werde; es sei deshalb "dem Grunde nach" unzulässig, schon jetzt Rückstellungen für den Endlager-Betrieb zu bilden. Die steuerfreien Rückstellungen für den Bau von Endlagern und die Beseitigung von Kernkraftwerken werden dagegen nicht in Frage gestellt (SZ, 11.4.; FAZ, 11.4.; siehe auch 961204).
Mit ihrem Beschluß gingen die Länderfinanzminister noch über die Position von Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hinaus, der die betrieblichen Rückstellungen für prinzipiell gerechtfertigt hält, aber mit 5,5 Prozent abgezinst haben möchte. Waigel verspricht sich dadurch eine zusätzliche Steuereinnahme von bis zu 750 Millionen Mark jährlich.
Dem Beschluß haben nur acht SPD-geführte Bundesländer zugestimmt. Die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz, Bremen und Sachsen-Anhalt enthielten sich der Stimme, während Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen dagegen stimmten. Da auch das Bundesfinanzministerium die Rückstellungen für den Endlager-Betrieb zumindest im Prinzip für gerechtfertigt hält, wird es nicht zu einer bundeseinheitlichen Rechtsverordnung über die steuerliche Behandlung dieses Teils der Rückstellungen kommen. Vielmehr müssen die einzelnen Länder jeweils selbst regeln, wie sie zu verfahren gedenken (FAZ, 12.4.; Handelsblatt, 14.4.).
Die Stromversorger haben bisher Entsorgungs-Rückstellungen in Höhe von über 54 Milliarden Mark gebildet. Wie der CDU-Haushaltsexperte Peter Jacoby gegenüber der Agentur Reuters (24.4.) angab, entfallen davon rund zehn Milliarden Mark auf Rückstellungen für den Betrieb des Endlagers. Wenigstens die Zinsgewinne aus diesen Geldern müßten sofort versteuert werden. Eine mögliche Lösung sähen die Haushaltspolitiker der Koalition auch darin, die Rückstellungen in einem öffentlichen Fonds zu verwalten. Es könne nicht hingenommen werden, daß die Stromkonzerne "Feldzüge" in andere Wirtschaftsbereiche wie die Telekommunikation unternähmen und sich gleichzeitig weigerten, ihre Gewinne hinreichend zu versteuern und die Stromtarife zu senken.
Die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke
(VDEW) betonte demgegenüber, daß die Rückstellungen
sich an Gesetz und Rechtsprechung orientieren. Falls den Stromversorgern
entsprechende Steuerbescheide zugingen, würden sie mit Sicherheit
Rechtsmittel einlegen. VDEW-Präsident Heinz Klinger wies
auch entschieden den Vorschlag des CDU-Haushaltsexperten Jacoby
zurück, die Rückstellungen künftig durch den Staat
verwalten zu lassen (FAZ, 12.4.; FR, 25.4.).