August 1997

970801

ENERGIE-CHRONIK


VDEW, VIK und BDI einigten sich über Grundsätze zur Stromdurchleitung

Die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) haben sich auf Grundsätze für die Stromdurchleitung in einem liberalisierten Strommarkt geeinigt, die eine gesetzliche Durchleitungsregelung überflüssig machen sollen. Danach verpflichten sich die Beteiligten, ihre Netze zu einem angemessenen Entgelt für die Durchleitung des Stroms von konkurrierenden Anbietern zur Verfügung zu stellen. Für Streitfälle wird eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Allerdings müssen noch etliche technische und wirtschaftliche Detailfragen geklärt werden, bevor die Vereinbarung, die jetzt von den Geschäftsführern der drei Verbände paraphiert wurde, von den Verbandsgremien gebilligt und endgültig unterzeichnet werden kann (Handelsblatt, 26.8.; FAZ, 26.8.).

Die Vereinbarung war bereits am 18.8. vom BDI sowie am 20.8. von VDEW und VIK mitgeteilt worden. Beachtung in den Medien fand sie aber erst, als damit am 25.8. das Bundeswirtschaftsministerium in die Öffentlichkeit ging: Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) wertete sie als wichtigen Durchbruch, da die Öffnung der Netze das zentrale Wettbewerbselement der geplanten Reform des Energierechts darstelle. Rexrodt hatte in seinem Gesetzentwurf auf eine spezielle Regelung für die Durchleitung von Strom oder Gas verzichtet, weil seiner Ansicht nach schon die dadurch eröffnete Möglichkeit des Baues neuer Leitungen einen hinreichenden Druck auf die Betreiber der vorhandenen Leitungen zur Durchleitung ausüben werde. Nachdem dieses Fehlen einer verbindlichen Durchleitungsregelung unter anderem seitens der Unionsparteien und des VIK kritisiert wurde (siehe 960801), hatte Rexrodt ersatzweise auf eine freiwillige Rahmenvereinbarung der Verbände gedrängt.

VDEW-Hauptgeschäftsführer Joachim Grawe bezeichnete die Vereinbarung als "fairen Kompromiß", mit dem die Vorbereitungen auf den künftigen Strommarkt in Deutschland einen wichtigen Schritt vorangekommen seien. Der VIK verwies darauf, daß noch zahlreiche Einzelheiten wie die technischen Definitionen für die Durchleitungspreise zu klären seien, so daß mit einer endgültigen Unterzeichnung nicht vor Anfang Oktober zu rechnen sei. Das Bundeskartellamt hätte lieber eine gesetzliche Durchleitungsregelung gehabt und sieht deshalb in der jetzigen Vereinbarung nur die "zweitbeste Lösung".

Heftige Kritik an der Verbändevereinbarung übten der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer und die grüne Energieexpertin Michaele Hustedt: Beide verlangten eine gesetzliche Durchleitungsregelung (VWD, 26.8. u. 27.8.).

"An Stolpersteinen herrscht kein Mangel"

Die Welt (26.8.) hob hervor, daß die Vereinbarung bisher nicht mehr als einen groben Rahmen darstelle: "Mehr als 30 Begriffe dieser Vereinbarung bedürfen noch einer genauen Definition, an Stolpersteinen herrscht kein Mangel. Und auch an der praktischen Durchsetzungsfähigkeit einer solchen Regelung ohne Gesetzescharakter sind Zweifel durchaus angebracht."

Die Frankfurter Rundschau (26.8.) verwies darauf, daß die Durchleitungsregelung nicht der eigentliche "Knackpunkt" sei: Die Energierechtsreform werde "vor allem deshalb blockiert, weil die Kommunen gegen die Pläne des Ministers wettern und dabei einflußreiche Koalitionspartner sowohl in den Reihen der Opposition als auch der Union haben. Sie sehen durch den Regierungsentwurf die Verfassung verletzt und Bestand und Erträge ihrer Stadtwerke bedroht."

Die Berliner Zeitung (26.8.) bemerkte: "Ohne den politischen Druck aus Bonn wäre eine historische Grundsatzvereinbarung zur Öffnung der deutschen Strommärkte, wie sie jetzt zwischen Stromkonzernen und Industrie geschlossen wurde, niemals zustande gekommen."