April 1998 |
980405 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Vertrag über eine Europäische Energie-Charta trat am 16.4. in Kraft, nachdem 36 von 49 Staaten des Vertragswerk ratifiziert hatten. Darunter befinden sich die meisten EU-Staaten und die Mehrheit der ehemaligen Sowjetrepubliken. Zu den Nachzüglern gehört Rußland, das aber anläßlich eines Treffens der G-8-Energieminister am 1.4. in Moskau ebenfalls die baldige Ratifizierung durch die Duma in Aussicht gestellt hat. Bundeswirtschaftsminister Rexrodt würdigte den Vertrag als wichtigen Schritt für die Ost-West-Zusammenarbeit. EU-Außenkommissar Hans van den Broek mahnte eine rasche Ratifizierung auch durch Rußland an, da dies die Voraussetzung für weiteres Engagement ausländischer Unternehmen in der russischen Energiewirtschaft sei (FAZ, 18.4.; Handelsblatt, 17.4.; Welt, 8.3.).
Die Europäische Energie-Charta war
1991 zunächst in Form einer politischen Absichtserklärung
zustande gekommen, die 36 Staaten in Den Haag unterzeichneten
(911204). Drei Jahre später wurde
sie auf einer Konferenz in Lissabon in einem 54 Artikel umfassenden
Vertragswerk völkerrechtlich bindend präzisiert (
940601 u. 941204).
Die Haager Erklärung wurde auch von den USA und Kanada unterzeichnet.
Dagegen werden die verbindlichen Festlegungen der Konferenz von
Lissabon bisher von diesen beiden Staaten nicht mitgetragen.
Der Vertrag schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine langfristige Kooperation von Unternehmen der beteiligten Staaten im Energiebereich. Vor allem ermöglicht er es, die riesigen und zum Teil noch unerschlossenen Energieressourcen Osteuropas mit Hilfe von westlichem Kapital und Know-how nutzbar zu machen. Mit den Devisen aus den Energielieferungen können die osteuropäischen Länder ihrerseits den Aufbau der dortigen Wirtschaft finanzieren. Gleichzeitig mit dem Vertrag wurde ein "Protokoll über Energieeffizienz und damit verbundene Umweltaspekte" unterzeichnet, das die Berücksichtigung des Klimaschutzes und anderer umweltpolitischer Ziele gewährleisten soll.
Seit zwei Jahren überwacht ein in
Brüssel ansässiges Sekretariat unter Leitung des deutschen
Ministerialbeamten Peter Schütterle die Durchführung
und Einhaltung der Vertragsgrundsätze. Gegenüber dem
Handelsblatt (9.4.) nannte Schütterle als Kernpunkte des
Vertragswerks den Schutz ausländischer Direktinvestitionen
durch die Gewährung von Inländerbehandlung und Meistbegünstigung,
das Recht auf angemessene, schnelle und effiziente Entschädigung
im Falle von Enteignungen sowie den Anspruch auf Transfer (in
konvertibler Währung) von investiertem Kapitel und erzielten
Gewinnen. In einem Interview mit den VDI-Nachrichten (20.3.) hatte
Schütterle zuvor die Hoffnung geäußert, daß
auch die USA und Kanada ihre Haltung noch ändern; daß
beide den Vertrag bislang nicht unterzeichnet haben, liege "teilweise
im innenpolitischen Bereich, teilweise an ihrem föderalen
Aufbau und an einer gewissen kritischen Bewertung von multilateralen
Investitionsschutzabkommen".