Dezember 1998

981201

ENERGIE-CHRONIK


Schröder geht zuversichtlich in die Verhandlungen über einen Energiekonsens

Nach einem Treffen mit den Chefs der größten deutschen Kernkraftwerksbetreiber, das am 14.12. stattfand, sah Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gute Chancen für eine Verständigung bei den im Januar beginnenden Verhandlungen über einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie (981001). Seine Gesprächspartner waren die vier Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Simson (Viag), Dietmar Kuhnt (RWE), Ulrich Hartmann (Veba) und Gerhard Goll (EnBW). Beteiligt an dem Treffen war auch Bundeswirtschaftsminister Müller (parteilos), nicht aber Bundesumweltminister Trittin (Grüne), der das Gesprächsklima durch weitreichende Forderungen nach einer Novellierung des Atomgesetzes im Sinne der Ausstiegsbefürworter (981101) belastet hatte.

Schröder faßte das Ergebnis vor der Presse dahingehend zusammen, "daß wir eine vernünftige Einigung in den Konsensgesprächen finden wollen und nach meinem Eindruck auch finden werden". Er werde die Verhandlungen persönlich leiten. An den Konsensgesprächen werden auf Regierungsseite neben Schröder auch Trittin und Müller beteiligt sein (SZ, 15.12.; FAZ, 15.12.).

Stromversorger dementieren Spekulationen über vereinbarten Zeitrahmen für Ausstieg

Laut Spiegel (21.12.) wurde bei dem Treffen im Kanzleramt bereits eine maximale Laufzeit von 20 Jahren für die derzeit bestehenden Kernkraftwerke vereinbart. Als Gegenleistung für diesen "großzügigen Zeitrahmen" seien die Stromversorger bereit, auf Milliarden-Schadenersatzklagen gegen den Staat zu verzichten. Die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) wies dies als reine Spekulation zurück. "Es gibt keinerlei Vereinbarung mit Bundeskanzler Schröder", sagte der Präsident der VDEW, Heinz Klinger, am 18.12. in München (DPA, 18.12.).

Kanzler stoppt Trittins Atomgesetznovelle und wirft ihm "wichtigtuerisches Gehabe" vor

Bundesumweltminister Jürgen Trittin ging unterdessen weiter auf Konfrontationskurs gegenüber den Kernkraftwerksbetreibern und sorgte damit für das erste größere Zerwürfnis innerhalb der rot-grünen Koalitionsregierung. Am 16.12. stoppte der Kanzler in einer Kabinettssitzung die Pläne für eine Novellierung des Atomgesetzes, mit denen Trittin noch vor den geplanten Verhandlungen die Deckungsvorsorge für die Haftung verzehnfachen, den Sicherheitsnachweis wesentlich erschweren und das Verbot der Wiederaufarbeitung festschreiben wollte. Trittin sagte jedoch noch am selben Tag gegenüber der Berliner Zeitung (17.12.), daß er an den Eckpunkten seines umstrittenen Entwurfs festhalten werde und daß er damit nur die Koalitionsvereinbarungen umsetzen würde. Am 22.12. verfügte er die Auflösung der Reaktorsicherheitskommission und der Strahlenschutzkommission, deren Umbesetzung unter Einbeziehung von Kernkraftgegnern er bereits angekündigt hatte (981103 u. 981104), und erließ neue Satzungen für beide Gremien. Schröder stellte daraufhin fest, daß diese Entscheidung nicht mit ihm abgestimmt worden sei. Sie dürfe nicht dazu führen, die verabredeten Konsensgespräche zu gefährden. Indirekt warf Schröder seinem Umweltminister vor, mit "wichtigtuerischem Gehabe und parteipolitischer Symbolik anstelle sachgerechter Politik" die rot-grüne Koalition zu gefährden (FR, 23.12.; FAZ, 23.12.).