Mai 2002

020501

ENERGIE-CHRONIK


Enron hat auch den Strommarkt manipuliert - Ermittlungen gegen hundert US-Unternehmen

Der zusammengebrochene Energiehändler Enron (020104) hat nicht nur massiv seine Bilanzen gefälscht, sondern auch im großen Stil den Energiemarkt manipuliert. Er hat damit wahrscheinlich erhebliche Mitschuld an der Stromversorgungskrise in Kalifornien, wo vor einem Jahr an 38 Tagen die höchste Stufe des Elektrizitäts-Alarms mit flächendeckenden Lastabwürfen ausgerufen werden mußte (010522). Dies ergaben jetzt Ermittlungen der US-Behörden.

Der kalifornische Netzbetreiber ISO hatte schon im März 2001 den Verdacht geäußert hatte, daß die Krise von den Stromversorgern künstlich herbeigeführt worden sei (010322). Die große Mehrheit der kalifornischen Bürger war ebenfalls schon immer der Meinung, daß die Stromversorger die Energiekrise herbeigeführt hätten, indem sie aus Profitgier den Markt manipulierten (010614).

Die US-Aufsichtsbehörde für den Energiemarkt, FERC, veröffentlichte jetzt vertrauliche Enron-Dokumente, die detailliert beschreiben, wie Enron und andere Unternehmen den Energiemarkt manipulierten. Sie hat inzwischen mehr als hundert Energieversorger aufgefordert, ihre Beteiligung an diesen Praktiken entweder zu verneinen oder detailliert zu beschreiben. Im einzelnen geht es um folgende Praktiken:

Börsenaufsicht überprüft Dynegy, Reliant Resources und CMS Energy

Die US-Börsenaufsicht SEC untersucht derzeit unter anderem das Geschäftsgebaren der Energiehändler Dynegy, Reliant Resources und CMS Energy. Wie Enron haben sie ihren Umsatz durch Scheingeschäfte in erheblichem Umfang aufgeblasen. Bei CMS bestanden sogar rund drei Viertel des Handelsvolumens der vergangenen beiden Jahre aus solchen "Wash Trades", die nur auf dem Papier abgewickelt wurden. Anscheinend wollte man mit den so erhöhten Umsatzzahlen potentielle Kunden beeindrucken. Die Chefs von CMS und Dynegy traten inzwischen aufgrund der Vorwürfe zurück (Handelsblatt, 17.5.; FTD, 29.5.).

Infolge der Vertrauenskrise bei Investoren und Kunden kämpft die US-Energiebranche mit Kreditknappheit und schnell sinkenden Aktienkursen. Die negative Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit durch Rating-Agenturen könnte weitere Unternehmen existientiell gefährden (FTD, 13.5.).

Mirant hatte bereits beim Bewag-Verkauf hohe Schulden

Der Energiekonzern Mirant wurde von der Rating-Agentur Moodyís bereits vor Weihnachten wegen hoher Schulden auf Junk-Bond-Status herabgestuft. Dies wirft auch ein neues Licht auf seine Bereitschaft, die 44,8-Prozent-Beteiligung an der Berliner Bewag für 1,63 Milliarden Dollar an Vattenfall zu verkaufen (011201). In den Wochen vor dem Verkauf hatte das Europamanagement von Mirant stets beteuert, an der Bewag-Beteiligung festzuhalten. Den überraschenden Sinneswandel erklärte Mirant-Vorstandschefin Marce Fuller damals mit einem attraktiven Aufschlag auf den Kaufpreis ("wir hatten nie die Absicht, unsere Bewag-Anteile zu verkaufen, aber das Angebot von Vattenfall konnten wir nicht ablehnen"). Mirant trennte sich nicht nur von der Bewag-Beteiligung, sondern zog sich auch aus einem Großprojekt in Indien zurück und verschob ein Gebot für ein Tochterunternehmen der italienischen Enel (FTD, 4.12. u. 26.12.01).

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