Juli 2005 |
050710 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) will den seit langem geplanten Neubau des Wasserkraftwerks Rheinfelden am Hochrhein nun zügig in Angriff nehmen und bis 2011 vollenden, um noch von den einschlägigen Bestimmungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes profitieren zu können. Nachdem bereits 2003 mit dem Bau des neuen Stauwehrs begonnen worden war (020812), billigte der Aufsichtsrat am 30. Juni den Beschluß des Vorstands, auch mit dem Neubau des Maschinenhauses zu beginnen. Das Maschinenhaus kostet rund 277 Millionen Euro und soll bis zum Jahr 2011 betriebsbereit sein. Das Stauwehr wird bereits 2007 fertig. Die neue Anlage oberhalb des alten Kraftwerks (26 MW) wird mit vier Rohrturbinen von je 25 MW eine Gesamtleistung von 100 MW erbringen und die durchschnittliche Stromjahresproduktion von derzeit 190 Millionen Kilowattstunden auf rund 600 Millionen Kilowattstunden steigern.
Das mehr als hundert Jahre alte Laufwasserkraftwerk Rheinfelden ist ein deutsch-schweizerisches Grenzkraftwerk. Bereits 1984 vereinbarten die damaligen Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) und der Kanton Aargau, daß KWR ein neues Kraftwerk am selben Standort baut und die Hälfte des erzeugten Stroms zu Gestehungskosten an den Kanton Aargau abgibt. Der Neubau wurde dann aber trotz zunehmender Modernisierungsbedürftigkeit der alten Anlage verschoben, da nach der Liberalisierung des Strommarktes der Bau neuer Wasserkraftwerke nicht mehr rentabel erschien (981230). Auf Drängen von KWR erklärten sich die schweizerischen und deutschen Behörden bereit, die Frist für die Fertigstellung des neuen Wehrs bis 2008 und für die restlichen Anlagen bis 2019 zu verlängern (020812). Die Situation änderte sich dann aber grundlegend, als das seit August 2004 geltende Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auch die Modernisierung großer Wasserkraftwerke in die Förderung einbezog. Inzwischen hatte die EnBW die Kapitalmehrheit an den KWR erworben, die bis dahin eine Tochter der schweizerischen Watt AG waren (020807).
Nach § 6 Abs. 2 EEG besteht für Strom aus erneuerten Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von 5 bis 150 MW ein Anspruch auf Vergütung, wenn die Anlage zwischen dem 1. August 2004 und dem 31. Dezember 2012 erneuert worden ist und die Erneuerung zu einer Erhöhung des elektrischen Arbeitsvermögens um mindestens 15 Prozent geführt hat. Die Vergütung sinkt mit der Leistungserhöhung in fünf Stufen von 7,67 Cent/kWh (bis 500 kW) auf 3,70 Cent/kWh (ab 50 MW). Vergütet wird nur die zusätzliche Strommenge, die der Erneuerung zuzurechnen ist. Im Falle des Wasserkraftwerks Rheinfelden könnte somit eine Strommenge von rund 410 Millionen Kilowattstunden mit 3,70 Cent/kWh vergütet werden, was jährlich über 15 Millionen Euro entspricht. Allerdings setzt dies die Revision des Vertrags von 1984 voraus. Sonst könnte die EnBW nur für die Hälfte des in Rheinfelden erzeugten Stroms vom EEG profitieren. Offenbar sind bereits Verhandlungen über eine Änderung des Vertrags mit dem Kanton Aargau im Gange.
Als das Wasserkraftwerk Rheinfelden 1898 in Betrieb ging, war es mit einer Leistung von über 10 MW das größte Wasserkraftwerk Europas. Die Finanzierung besorgten Großbanken aus dem Umfeld der AEG. Hauptkunden der Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) waren die AEG-Tochter Elektrochemische Werke Bitterfeld GmbH und die schweizerische Aluminium-Industrie AG, die in der Nähe des Wasserkraftwerks große Betriebe errichteten. Neben Aluminium kam aus Rheinfelden unter anderem auch das Bleichmittel Natriumperborat, das ab 1907 unter dem Markennamen "Persil" seinen Siegeszug durch deutsche Waschküchen antrat.
Der Neubau des Wasserkraftwerks wird von der der Energiedienst AG in Rheinfelden durchgeführt, die innerhalb des EnBW-Konzerns für das südbadische Kunden- und Netzgebiet zuständig ist und bereits das alte Kraftwerk betreibt. Die Energiedienst AG entstand aus den beiden Regionalversorgern Kraftwerk Laufenburg AG (KWL) und Kraftübertragungswerke Rheinfelden AG (KWR), die 2002 mehrheitlich von der EnBW übernommen wurden (020807) und bereits davor durch die gemeinsame Betriebsführungsgesellschaft EnergieDienst GmbH verbunden waren (980910). Neben der Anlage in Rheinfelden gelangten dadurch auch die Hochrhein-Laufwasserkraftwerke Laufenburg und Grenzach-Wyhlen sowie weitere Wasserkraftwerke zum EnBW-Konzern. Die Vermarktung des Wasserkraft-Stroms erfolgt weiterhin über die 1998 gegründete Energiedienst-Tochter NaturEnergie AG (000326).