März 2008

080303

ENERGIE-CHRONIK


Gazprom und E.ON wollen gemeinsam Gaskraftwerk in Lubmin errichten

Die russische Gazprom und der E.ON-Konzern unterzeichneten am 29. Februar eine Absichtserklärung für den gemeinsamen Bau und Betrieb eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerkes (GuD) bei Lubmin. Das Kraftwerk wird eine Leistung von 1.200 Megawatt haben und soll 2011 ans Netz gehen. Gebaut und betrieben wird es von einer Gesellschaft, an der beide Unternehmen jeweils 50 Prozent halten. werden. Die endgültige Entscheidung über den Bau soll 2009 getroffen werden.

Der russische Staatsmonopolist hat damit sein Ziel, über den Standort Lubmin in den deutschen Gas- und Strommarkt einzusteigen (060405), zu einem guten Teil erreicht. Faktisch übernimmt das deutsch-russische Gemeinschaftsunternehmen das Projekt der Concord Power Lubmin 1 GmbH, die ihrer Pläne für die Errichtung eines 1.200-MW-Kraftwerks inzwischen aufgegeben und das Gelände an E.ON verkauft hat. Bevor es zum Verkauf an E.ON kam, hatte Concord Power vor allem mit Gazprom über eine mehr oder minder umfangreiche Beteiligung an dem Projekt verhandelt.

Auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Kernkraftwerks Lubmin bei Greifswald gibt es noch zwei weitere Flächen, die für die Errichtung von Kraftwerken vorgesehen sind: Direkt an das E.ON-Gelände grenzt ein Areal, das der EnBW Kraftwerke AG gehört. In unmittelbarer Nachbarschaft hat außerdem der dänische Dong-Konzern die Option auf ein großes Grundstück erworben, auf dem er ein Steinkohlekraftwerk errichten möchte (siehe Skizze).

Schematische Darstellung der neuen Kraftwerks-Standorte auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Kernkraftwerks Lubmin bei Greifswald. Alle drei gruppieren sich um den ehemaligen Auslaufkanal des Kernkraftwerks, der inzwischen zum Industriehafen ausgebaut wurde.

Auf den Grundstücken, die heute E.ON und EnBW gehören, ist bereits seit zehn Jahren die Errichtung von Gaskraftwerken vorgesehen. Als weiterer Kraftwerks-Standort kam 2006 das Gelände hinzu, für das sich Dong eine Option sicherte.

Ursprünglich wollten Schweden und Finnen über Lubmin in den deutschen Strommarkt einsteigen

Nach der der Stillegung des ehemaligen Kernkraftwerks der DDR im Jahre 1990 war von Bundes- und Landesregierung beschlossen worden, den Kraftwerksstandort zu erhalten. Da das KKW Lubmin im Endausbau mit acht Blöcken eine Gesamtleistung von 3300 MW erbringen sollte, war das Stromtransportnetz an dieser Stelle bereits für eine hohe Einspeisung vorbereitet. Hinzu kam die Lage an der Ostsee, die für Beschaffung des notwendigen Kühlwassers wie auch für die Versorgung mit Brennstoffen von Vorteil war.

Der Abriß des ehemaligen DDR-Kernkraftwerks sowie die Neuansiedlung von Betrieben obliegt den Energiewerken Nord (EWN), deren alleiniger Eigentümer das Bundesfinanzministerium ist. Als die EWN Ende der neunziger Jahre erstmals zwei Grundstücke für die Errichtung gasbetriebener Großkraftwerke ausschrieben, erhielten die Vattenfall-Tochter Vasa Energy und die finnische Neste Oy (später Fortum) den Zuschlag. Ins Abseits manövriert hatte sich dagegen die ostdeutsche Verbundgesellschaft Veag, die damals noch den westdeutschen Verbundunternehmen gehörte und in deren Interesse die skandinavischen Wettbewerber vom deutschen Markt fernzuhalten versuchte (980821).

Schweden und Finnen wollten auf diese Weise über Lubmin in den deutschen Strommarkt einsteigen. Fortum plante zudem gemeinsam mit der russischen Gazprom die Verlegung einer Gas-Pipeline durch die Ostsee, die bei Lubmin anlanden sollte und so eine günstige Gasversorgung der Kraftwerke gesichert hätte. Beide Investoren gaben ihre Projekte aber schon nach zwei bis drei Jahren wieder auf. Bei Fortum scheint es vor allem der Widerstand von E.ON gewesen zu sein, der den Rückzug vom deutschen Markt bewirkte (E.ON torpedierte damals sowohl die Expansion der Fortum-Tochter Wesertal als auch den Bau der Gaspipeline durch die Ostsee). Beim Vattenfall-Konzern dürfte das Interesse an einem Gaskraftwerk in Lubmin auch deshalb geschwunden sein, weil er im Jahr 2001 mit der Veag die gesamte ostdeutsche Großstromerzeugung übernahm (010506).

EnBW übernahm das Grundstück von Fortum und Concord Power führte das Vattenfall-Projekt weiter

Für das Grundstück, auf dem ursprünglich Fortum bauen wollte, fand sich als neuer Käufer die Energie Baden-Württemberg (EnBW). Das Vattenfall-Projekt übernahm die Saalfeld-Gruppe, die bislang bei der Vasa Energy als Minderheitspartner fungierte und es nun in eine neue Planungsgesellschaft namens Concord Power einbrachte. An dieser Planungsgesellschaft war von 2001 bis 2003 auch die EnBW zur Hälfte beteiligt, die auf dem Nachbargrundstück ebenfalls ein Gaskraftwerk errichten wollte und dessen Entwicklung der Concord Power übertrug (030101). Da aber die EnBW nicht bereit war, bis Ende 2003 eine bindende Entscheidung über den Baubeginn zu treffen, machte die Saalfeld-Gruppe von ihrem Recht Gebrauch, die EnBW-Anteile an der Concord Power zurückzukaufen.

Die EnBW verfügte seitdem zwar weiterhin über eine Standortgenehmigung, unternahm aber keine weiteren Anstrengungen, um auf dem Grundstück tatsächlich ein Kraftwerk zu errichten. Die Concord Power betrieb dagegen ihr Projekt bis zur Errichtungsgenehmigung weiter. Anscheinend fehlte ihr aber - neben einem Gasanschlußvertrag - ein kapitalkräftiger Partner, der das unternehmerische Risiko auf sich genommen hätte. Aus eigener Kraft hätte die kleine Saalfeld-Gruppe diese Aufgabe schwerlich meistern können. Ihre Projektgesellschaft "Concord Power Lubmin 1 GmbH" beschäftigte nur etwa acht Angestellte und ihr wichtigster Geschäftszweig, der Ökostrom-Anbieter "Lichtblick", hatte eine lange Durststrecke zu überwinden, ehe er erstmals schwarze Zahlen schrieb.

Der E.ON-Konzern, der jetzt das Kraftwerks-Grundstück der Concord Power übernahm, hätte 2003 eigentlich zum Teilhaber dieser Projektgesellschaft werden sollen. Jedenfalls gehörte dies zum bekanntgewordenen Teil der Absprachen, mit denen sich verschiedene Unternehmen damals ihre Klagen gegen die Minister-Erlaubnis für die Übernahme der Ruhrgas durch E.ON abkaufen ließen. Unter diesen Klägern befanden sich die EnBW und Concord Power (030101). Weshalb es dann doch nicht zur Erfüllung dieser Vereinbarung kam und ob ersatzweise andere Abmachungen zwischen E.ON und den beiden Klägern getroffen wurden, wissen nur die Beteiligten.

Streit um die Weiterführung der Ostsee-Pipeline: "Opal" gegen "Nordal"

Daß die beiden Gaskraftwerksprojekte binnen zehn Jahren nicht vorankamen, lag hauptsächlich an der Unsicherheit, ob und zu welchen Bedingungen die Gasversorgung erfolgen würde. Nach dem Rückzug von Fortum fand die russische Gazprom zwar mit der BASF und E.ON neue Partner, um eine Gas-Pipeline durch die Ostsee in Angriff zu nehmen (050902). Aber auch dieses Projekt kommt nicht so voran, wie es die Beteiligten gern hätten (080206).

Um ihr eigenes Kraftwerksprojekt unabhängiger vom Zustandekommen der Ostsee-Pipeline zu machen, sicherte sich die Saalfeld-Gruppe über eine weitere Projektgesellschaft die Genehmigung für den Bau einer Erdgasleitung zwischen Lubmin und der nächstgelegenen Gas-Hochdruckleitung im Norden Berlins. An diesem Projekt namens "Nordal" will sie auch nach dem Verkauf des Grundstücks an E.ON festhalten, zumal sich diese Leitung nicht nur zur Versorgung des Standortes Lubmin verwenden ließe, sondern alternativ auch zur Weiterleitung des russischen Erdgases, wenn die Ostsee-Pipeline eines Tages tatsächlich den Betrieb aufnimmt. Möglicherweise will Saalfeld auch nur mit diesem Pfund wuchern. Bisher zeigen Gazprom, BASF und E.ON aber keine Bereitschaft, die "Nordal" zu übernehmen. Stattdessen planen sie - neben dem Bau einer Anschlußleitung in westlicher Richtung - die Errichtung einer 480 Kilometer langen Pipeline zwischen der Ostsee und Tschechien, die weitgehend parallel zur bereits genehmigten "Nordal" verlaufen würde. Das Vorhaben namens "Opal" stößt deshalb auf erhebliche planungsrechtliche Bedenken sowie heftige Proteste von Umweltschützern und betroffenen Bürgern. Zumindest nach Meinung von Saalfeld ist die "Opal" zur Anbindung der Ostsee-Pipeline in Richtung Süden überflüssig, sofern der Durchmesser der "Nordal" auf 1,20 Meter erweitert würde.

Proteste gegen geplantes Steinkohle-Kraftwerk von Dong

Anders verhält es sich mit dem dritten und jüngsten Kraftwerksprojekt, das der dänische Dong-Konzern auf einem großen Areal errichten möchte, für das er 2006 eine bis Ende 2008 laufende Option erworben hat (siehe Skizze). Geplant sind zwei Blöcke mit jeweils 800 MW. Die Gasversorgung spielt hier keine Rolle, da es sich um ein Steinkohlekraftwerk handelt. Umso größere Probleme gibt es aber mit Umweltschützern und Anwohnern. Hauptargumente gegen das Vorhaben sind die höheren CO2-Emissionen von Kohle gegenüber Gas, eine optische Verschandelung der Küste durch hochaufragende Bauten, eine Verschmutzung der Ostsee durch die notwendige Umladung der Importkohle auf Schiffe mit geringerem Tiefgang sowie die Erwärmung des Greifswalder Boddens durch die Frischwasserkühlung (keine Kühltürme). Dong hofft dennoch, noch in diesem Jahr die erste Teilgenehmigung zu erhalten, und hat bereits die ersten Aufträge vergeben.

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