April 2008 |
080408 |
ENERGIE-CHRONIK |
Auf Antrag von Stromhändlern hat die Bundesnetzagentur ein Mißbrauchsverfahren gegen die vier Transportnetzbetreiber E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW eingeleitet, weil sie ihre vier Netzgebiete nach wie vor separat regeln und dadurch mehr Kosten entstehen als bei einer bundesweit einheitlichen Regelung. Antragsteller sind der Ökostrom-Anbieter "Lichtblick" und der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE). Der 2002 gegründete BNE vertritt die Interessen in- und ausländischer Energieunternehmen, die nicht zu einem der vier Konzerne gehören, aber auf die Nutzung von deren Netzen angewiesen sind (021013). Formal stützt sich die Beschwerde auf § 22 Abs. 2 EnWG, der die Betreiber von Übertragungsnetzen "unter Beachtung ihrer jeweiligen Systemverantwortung verpflichtet, zur Senkung des Aufwandes für Regelenergie unter Berücksichtigung der Netzbedingungen zusammenzuarbeiten". Nach Meinung der Antragsteller schließt dies die Zusammenlegung der Regelgebiete zur Senkung der Netzkosten mit ein.
Der Mißbrauchsantrag, der vom 6. März datiert ist und über den Anfang April erstmals "Der Spiegel" (5.4.) berichtete, veranschlagt das Einsparpotential einer bundesweiten Netzregelung auf etwa 30 Prozent. Entsprechend wird der Mehraufwand, der durch die derzeit vier Regelzonen entsteht, für 2006 mit rund 314 Millionen Euro und für 2007 mit rund 494 Millionen Euro beziffert. Die "Verschiebung dieser gewaltigen Summen von den Netznutzern zu den mit den Netzbetreibern verbundenen Erzeugungsgesellschaften" sei mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar.
Als weiteres Argument führen die Antragsteller an, daß der Markt für Regelenergie trotz der Verpflichtung zur Ausschreibung dieser Leistungen ein Oligopol darstelle. Wie die Bundesnetzagentur selber dargelegt habe, gebe es bei Primärregelleistungen und Sekundärregelenenergie keinen Wettbewerb, da der Nachfrage der vier Transportnetzbetreiber im wesentlichen nur die Kraftwerksgesellschaften derselben Konzerne als Anbieter gegenüberstehen. Auch auf dem leichter zu bedienenden Markt für Minutenreserve nähmen weniger als zehn Anbieter an den Ausschreibungen teil. Wörtlich heißt es weiter:
"Dies führt zu einer sehr komfortablen Situation für diese Konzerne. Sie können einerseits als Netzbetreiber die Nachfrage nach Regelenergie steuern. Gleichzeitig können sie als Anbieter der von ihnen selbst nachgefragten Regelenergie die Preise weitgehend frei bestimmen. Dieses wohl geordnete Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage im gleichen Konzern geht ausschließlich zu Lasten Dritter."
Die Bundesnetzagentur dürfte den hier geschilderten Sachverhalt im wesentlichen genauso sehen. Dennoch ist nicht damit zu rechnen, daß sie das Festhalten an vier Regelzonen tatsächlich für mißbräuchlich befinden wird. Eine Verpflichtung zur Zusammenlegung der vier Regelgebiete läßt sich auch kaum aus der allgemeinen Formulierung in § 22 Abs. 2 EnWG ableiten. Hierzu bedürfte es konkreterer politischer Vorgaben aufgrund einer Bestandsaufnahme der mit der Zusammenlegung verbundenen Vorteile und Risiken.
Das Für und Wider einer Vereinheitlichung der vier Regelzonen wurde bereits ausführlich im "Evaluierungsbericht" erörtert, den die Bundesregierung gemäß § 112 EnWG vor einem halben Jahr vorlegte und der letztendlich auf Erkenntnissen der Bundesnetzagentur beruht. Demnach wird die Bundesregierung von sich aus "Vorschläge für die Rationalisierung bei der Beschaffung von Regelenergie auf den Weg bringen und alle Optionen für eine gemeinsame Regelzone entwickeln". Sie will dabei auf den Richtlinienvorschlägen der Europäischen Kommission für eine weitere Entflechtung der Transportnetzbetreiber aufsetzen, die derzeit noch heftig umstritten sind (080201). Sie gibt zugleich zu bedenken, daß manche Folgewirkungen einer etwaigen einheitlichen Regelzone in Deutschland noch nicht abschließend beurteilt werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist auch der jetzige Vorstoß der Stromhändler zu sehen.
Insgesamt wächst der Druck auf die vier Übertragungsnetzbetreiber, eine einheitliche Regelzone für Deutschland zu schaffen, wie dies vor fünf Jahren bereits das Bundeskartellamt anregte (030204) und ein Jahr später auch die Monopolkommission in ihrem 15. Hauptgutachten forderte (040701). Die vier Konzerne verzichten sicher nicht gern auf die zusätzlichen Einnahmen, die ihnen das bisherige System beschert, scheinen aber keinen grundsätzlichen Widerstand gegen eine Zusammenfassung der Regelgebiete leisten zu wollen. E.ON-Chef Bernotat hat sogar unlängst das Nebeneinander von vier Übertragungsnetzbetreibern als Ergebnis historischer Zufälligkeiten bezeichnet und sich für die Gründung einer bundesweiten Stromnetzgesellschaft ausgesprochen (080305).
Bis zum Jahr 2000 gab es in Deutschland sogar acht Regelzonen (links). Als Folge der drei "Elefantenhochzeiten" zwischen PreussenElektra und Bayernwerk, RWE und VEW sowie Veag, Bewag und HEW halbierte sich dann die Zahl der Verbundnetzbetreiber binnen zwei Jahren auf den heutigen Stand (rechts). |