April 2008

080414

ENERGIE-CHRONIK


Vierzig Bürgermeister protestieren gegen Anreizregulierung

Rund vierzig Bürgermeister aus Süddeutschland - fast alle aus Baden-Württemberg - haben gegen die bevorstehende Anreizregulierung (071103) protestiert und sie als falschen Weg bezeichnet, das "offenkundige Scheitern der Liberalisierung" zu korrigieren. Die Anreizregulierung werde nicht zu mehr Wettbewerb, sondern zur existenziellen Bedrohung vieler mittelständischer Stadtwerke führen, heißt es in der sogenannten "Tübinger Erklärung", die am 16. April dem baden-württembergischen Landtag übergeben wurde.

Im Unterschied zu zwei ähnlichen Erklärungen von Bürgermeistern, deren Stadtwerke dem E.ON-Konzern verbunden sind und deren Protest über die Thüga organisiert wurde (060713, 070505), vertreten die Unterzeichner der "Tübinger Erklärung" durchweg kleine und mittlere Stadtwerke ohne Konzernbindung. Die repräsentierten Stadtwerke verbindet allerdings, daß sie zu den mehr als fünfzig Gesellschaftern der Stromhandelsgesellschaft "Südweststrom" (990216) und der seit 2005 bestehenden Südweststrom Kraftwerk GmbH & Co. KG gehören, die gemeinsam mit der spanischen Iberdrola den Bau von Kraftwerken zur Versorgung kommunaler Verteiler plant (061209).

Die Bürgermeister verweisen darauf, daß der mangelnde Wettbewerb auf den Energiemärkten das "hausgemachte" Ergebnis einer verfehlten Liberalisierungspolitik sei: "Mit staatlicher Unterstützung und teilweise gegen den Widerstand der Kartellbehörden wurden Großfusionen möglich, die schließlich in der Übernahme der Ruhrgas AG durch die E.ON AG ihren unrühmlichen Höhepunkt fanden." Im Ergebnis dieser falschen Politik würden heute vier marktbeherrschende Großkonzerne den überwiegenden Teil der Stromproduktion und damit das Niveau der Strompreise in Deutschland kontrollieren. Zudem hätten sich diese Konzerne mit hohen Gewinnen aus Monopolzeiten und staatlicher Steuerförderung in Milliardenhöhe aus abgeschriebenen Kernkraftwerken umfassend an Stadtwerken und Regionalversorgern beteiligt. Diese Beteiligungsunternehmen würden als Vertriebskanäle missbraucht und könnten nur in den seltensten Fällen aktiven Wettbewerb außerhalb ihrer Stammgebiete betreiben.

Anstatt die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, würden nun für den schleppenden Wettbewerb einseitig die Betreiber von Strom- und Gasnetzen verantwortlich gemacht und die eigentlichen Probleme ignoriert. Als Folge der nunmehr beschlossenen Anreizregulierung sei zu befürchten, daß ein großer Teil der Stadtwerke mittelfristig von den großen Energiekonzernen übernommen werde oder gänzlich vom Markt verschwinde.

Zum Schluß der "Tübinger Erklärung" fordern die Gemeinden eine "Regulierung mit Augenmaß", mehr Anreize für den Aufbau unabhängiger Stromerzeugungskapazitäten mit Schwerpunkt auf Kraft-Wärme-Kopplung und den Zwangsverkauf von Stadtwerke-Beteiligungen der Konzerne.

Die Hälfte der Kommunen liebäugelt mit horizontalen Fusionen

Über 80 Prozent der Kommunen erwarten als Folge der Anreizregulierung eine Renditesenkung. Zudem sind 36 Prozent der Ansicht, daß aufgrund der Anreizregulierung mehr Stadtwerke verkauft bzw. Anteilsreduktionen vorgenommen würden. Dies ergab eine Umfrage unter 202 deutschen Kommunen, die im Herbst 2007 im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) durchgeführt und jetzt veröffentlicht wurde.

Acht Prozent der 202 befragten Kommunen beabsichtigten in den kommenden fünf Jahren einen teilweisen Verkauf ihrer Anteile. 16 Prozent gaben an, in den vergangenen fünf Jahren ihren Anteil an Energieversorgungsunternehmen bereits reduziert zu haben. Mit Verkaufsabsichten tragen sich vor allem die weniger finanzstarken Kommunen. Vier Fünftel der Befragten (82 Prozent) konnten sich aber nicht vorstellen, ihre Beteiligungen an Versorgungsunternehmen gänzlich aufzugeben. Die attraktivste Vorgehensweise zur Veränderung der Beteiligungsquoten war für 57 Prozent der befragten Kommunen eine horizontale Fusion mit einem anderen Stadtwerk.

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