Mai 2008 |
080512 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Ausnahmebestimmungen für "Objektnetze" in § 110 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) verstoßen gegen europäisches Recht. Sie sind unvereinbar mit Art. 20 Abs. 1 der zweiten EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt vom 26. Juni 2003 (030601). Zu dieser Auffassung gelangte die Dritte Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem Urteil, das sie am 22. Mai veröffentlichte (Rechtssache C-439/06).
Anlaß des Rechtsstreits war eine Klage der citiworks AG (011120), der von der Flughafen Leipzig/Halle GmbH (FLH) der Zugang zum Stromnetz des Flughafens verweigert worden war, weil es sich dabei um ein solches Objektnetz handelt. Das sächsische Wirtschaftsministerium hatte den Flughafen von der Verpflichtung befreit, anderen Anbietern die Leitungen zur Verfügung zu stellen, da das Netz entsprechend den Anforderungen des § 110 EnWG auf einem zusammengehörenden Betriebsgebiet liegt und überwiegend der Versorgung innerhalb eines Unternehmens und verbundener Betriebe dient. Das Oberlandesgericht Dresden hatte daraufhin den EuGH angerufen, um vorab zu überprüfen, ob dieses Passus des EnWG mit der europäischen Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie vereinbar sei.
Das fragliche Netz versorgt außer dem Betreiber FLH selber noch 93 weitere Unternehmen, die auf dem Gelände des Flughafens Leipzig/Halle angesiedelt sind. Es hatte im Jahr 2004 einen Verbrauch von 22.200 MWh, wovon 3.800 MWh auf andere Unternehmen als FLH entfielen.
Der Europäische Gerichtshof stellte dazu fest, daß es nach der EU-Richtlinie nicht auf die Höhe des Stromverbrauchs des Netzes oder der einzelnen Verbraucher ankommt, die daraus versorgt werden. Aus Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie ergebe sich lediglich, daß die Mitgliedstaaten beschließen können, Zugangsrechte Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen zu beschränken, um die Elektrizitätsversorgung für eine gemeinwirtschaftliche Leistung sicherzustellen. Sie müssten hierzu jedoch prüfen, ob das unbeschränkte Recht auf Netzzugang die Netzbetreiber in der Erfüllung ihrer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen behindern würde, und untersuchen, ob diese Verpflichtungen nicht durch andere Mittel erfüllt werden können. Das sei aber im vorliegenden Fall nicht Gegenstand der Diskussion.
Der im EnWG verwendete Begriff "Objektnetze" überschneidet sich mit dem älteren Begriff der "Arealnetze", mit dem ebenfalls solche Netze gemeint sind, die nicht der allgemeinen Versorgung dienen. Nach der bisher gültigen Definition des EnWG können Arealnetze aber nur dann als Objektnetze gelten, wenn sie gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 einem "gemeinsamen übergeordneten Geschäftszweck" dienen.