August 2008 |
080813 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hat die Energieversorger des Landes vor weiteren unmäßigen Preiserhöhungen gewarnt und dabei auf die Verfassung des Landes verwiesen, die eine Enteignung zuläßt. Konkret richtet sich die Drohung gegen die ausländischen Konzerne Enel (050203), E.ON und RWE (020413) sowie Gaz de France, die praktisch die Energiewirtschaft des Landes beherrschen. Sie wird in Wirtschaftskreisen allerdings nicht sonderlich ernst genommen, da die Verfassung im Falle einer Enteignung auch die Zahlung einer entsprechenden Entschädigung vorschreibt. Dazu wäre die Staatskasse kaum in der Lage. Der Marktwert der slowakischen Stromunternehmen liegt weit über den Summen, die der slowakische Staat für die Privatisierung erhalten hat.
Den politischen Hintergrund der Drohung bildet, daß die Slowaken die relativ höchsten Energiepreise in der EU bezahlen müssen, da sie auf der Einkommenskala ganz hinten liegen. Das offizielle Durchschnittseinkommen der Slowaken betrug Ende 2007 trotz der Steigerungen in den vergangenen Jahren nicht mehr als 22.900 Kronen bzw. 760 Euro, während die Kilowattstunde Haushaltsstrom12,92 Cent kostete. Schon als die Slowakei 2004 in die EU aufgenommen wurde, machten die Stromkosten der Haushalte 8,1 Prozent eines Jahresverdienstes aus (060314). Die Belastung war damit noch wesentlich höher als in Portugal (4,9 %) und Polen (4,7 %) und fast viermal so hoch wie in Deutschland (2,2 %).
HInzu kommt, daß die privatisierten Energieversorger die Preise weiter erhöht haben (siehe Grafik). Der sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico hat die letzten Wahlen im Juni 2006 vor allem mit dem Versprechen gewonnen, für mehr sozialen Ausgleich zu sorgen. Der christdemokratischen Vorgänger-Regierung wirft er vor, die Energieversorgung des Landes an ausländische Unternehmen "ausverkauft" zu haben. Zur Zeit hat er gute Chancen, bei den nächsten Wahlen sogar die absolute Mehrheit zu erlangen.
Speziell kritisierte der Regierungschef am 18. August gegenüber der Nachrichtenagentur SITA die italienische Enel, die seit dem Erwerb der Slovenské elektrárne die Stromerzeugung des Landes beherrscht. Der Konzern verlange nicht nur zu hohe Preise, sondern erfülle auch seine Zusagen für die Erschließung neuer Energiequellen nicht. Vor allem an der Baustelle für den dritten und vierten Block des Atomkraftwerks Mochovce (050203) tue sich überhaupt nichts. "Es geht doch nicht, dass uns jemand so an der Nase herumführt!"
"Irgendwann verlieren wir die Geduld", sagte Fico . "Gerne möchte ich daher allen ausländischen Eigentümern der Energiemonopole in Erinnerung rufen, daß es den Paragrafen 20 der Verfassung der Slowakischen Republik gibt, der besagt, daß im öffentlichen Interesse auch Enteignungen zulässig sind." Wenn Enel und die anderen Energiekonzerne weiterhin eine Geschäftspolitik betrieben, die gegen die Interessen des Staates und der Bevölkerung gerichtet sei, werde seine Regierung nicht zögern, auch solche drastischen Maßnahmen zu ergreifen. Die Slowakei dürfe in energiewirtschaftlicher Hinsicht kein "Marionettenstaat" sein.