März 2009

090307

ENERGIE-CHRONIK


Moskau reagiert gereizt auf EU-Hilfe für Sanierung der ukrainischen Gaswirtschaft

Am 23. März tagte in Brüssel eine Investorenkonferenz, um die notwendigen Maßnahmen zur Modernisierung des ukrainischen Gastransitsystems zu erörtern. Veranstalter waren die EU-Kommission und die Regierung der Ukraine. Zu den über 200 Teilnehmern zählten außerdem Vertreter internationaler Finanzinstitutionen, der Gasindustrie, der einzelnen EU-Mitgliedstaaten und anderer Staaten. In einer gemeinsamen Erklärung verpflichtete sich die Ukraine, für die notwendige Transparenz zu sorgen, damit die Verwendung der gewährten Investitionshilfen überprüft werden kann (im Klartext: damit das Geld nicht im Sumpf der landesüblichen Korruption verschwindet). Ferner sagte sie zu, die EU-Standards hinsichtlich der Unabhängigkeit des Netzbetriebs zu übernehmen und die Kalkulation der Transittarife offenzulegen. Bis zum Jahresende will sie gemeinsam mit der EU-Kommission ein Programm zur Reform des ukrainischen Gasmarktes erarbeiten, das bis 2011 verwirklicht werden soll.

Die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko versprach die Einhaltung von EU-Standards bei der Verwendung von Geldern und dem Betrieb der Gasleitungen.
Pressefoto Reg. UA

Auch Rußland, das zu Anfang des Jahres zwei Wochen lang die Gaslieferungen durch die Ukraine stoppte und damit den Anstoß zu dieser Konferenz gab (090101), war mit einer siebenköpfigen Delegation unter Leitung des Energieministers Sergey Shmatko vertreten. Hinterher beklagte sich die Delegation jedoch, daß sie von der Diskussion faktisch ausgeschlossen worden sei. Der russische Regierungschef Wladimir Putin bezeichnete die Brüsseler Erklärung als nicht durchdacht und unprofessionell. Es sei "unseriös", über den Ausbau der Transite durch die Ukraine zu diskutieren, ohne Rußland als Hauptlieferanten dabei einzubeziehen. Moskau werde sich zu einer Neubewertung der Beziehungen zur EU gezwungen sehen, wenn seine Interessen in der Ukraine nicht hinreichend berücksichtigt würden. In Absprache mit Putin ließ der russische Präsident Medwedjew eine bevorstehende Regierungskonsultation mit der Ukraine kurzfristig absagen.

Der Kreml versucht schon seit langem, den staatlichen ukrainischen Netzbetreiber Naftogaz unter seinen Einfluß zu bringen. Zum Beispiel durch die Gründung des dubiosen Zwischenhändlers RosUkrEnergo, an dem auch ukrainische Kreise partizipierten. Nun wirft er der EU vor, daß sie die schwierige Lage des Landes und den maroden Zustand der Transitleitungen ausnutzen wolle, um den Netzbetrieb zu komtrollieren. Als akzeptable Lösung schlug Putin die Bildung eines internationalen Betreiberkonsortiums aus russischen, ukrainischen und westeuropäischen Unternehmen vor, das vom ukrainischen Staat die Leitungen pachtet.

Geheimdienst stürmte die Naftogaz-Zentrale

Der Streit innerhalb der ukrainischen Regierung erreichte am 4.März einen neuen, bizarren Höhepunkt: Etwa zwanzig Männer des Geheimdienstes SBU, die maskiert und mit Maschinenpistolen bewaffnet waren, stürmten die Zentrale des staatlichen Gaskonzerns Naftogaz. Nach Angaben eines Naftogaz-Sprechers suchten sie nach den Originalen der neuen Gasverträge, die im Januar mit Moskau vereinbart worden waren. Der SBU sprach dagegen von einer normalen Ermittlungsaktion, bei der es um die vermutete Unterschlagung von 6,3 Milliarden Kubikmeter Gas durch Naftogas-Angestellte gehe. Anhänger der Ministerpräsidentin Julia Timoschenko machten für die Aktion den Präsidenten Viktor Juschtschenko verantwortlich.

Möglicherweise handelt es sich um eine Vergeltungsaktion dafür, daß Timoschenko Ende Januar damit begonnen hat, die mit Moskau vereinbarte Ausschaltung des Zwischenhändlers RosUkrEnergo in die Praxis umzusetzen. Bestandteil der neuen Abmachungen mit dem Kreml soll sein, daß Naftogaz den Inhalt eines großen Gasspeichers, der bisher RosUkrEnergo gehört, zu einem günstigen Preis übernehmen darf, um so Schulden von RosUkrEnergo gegenüber Gazprom abzutragen. Die "Zollabfertigung" zur Übergabe des Speichers an Naftogaz war zunächst vom ukrainischen Zollchef Walerij Choroschkowski untersagt worden, der mit dem RosUkrEnergo-Gesellschafter Dmitri Firtash geschäftlich liirt sein soll. Choroschkowski war daraufhin seines Postens enthoben worden. Er blieb aber stellvertretender Chef des Geheimdienstes SBU, der vier Wochen später die Naftogaz-Zentrale stürmte.

Links (intern)