Oktober 2009 |
091002 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der RWE-Konzern hat dem staatlichen bulgarischen Energiekonzern NEK am 28. Oktober mitgeteilt, daß er sich ab sofort aus der Projektgesellschaft für den Bau des Kernkraftwerks Belene zurückzieht, die erst vor zehn Monaten vereinbart worden war (081205). Der bulgarische Staat muß sich deshalb nach einem anderen Partner umsehen, falls er das Projekt tatsächlich noch durchführen will. Bisher sieht es aber nicht danach aus, als ob sich Investoren finden lassen würden. Diese müßten nämlich über die Finanzlücke hinaus, die RWE durch sein Ausscheiden hinterläßt, praktisch die gesamten Kosten übernehmen. Die neue bulgarische Regierung hatte Ende Juli unmißverständlich klargemacht, daß sie über kein Geld verfügt, um Belene und andere Energieprojekte vollenden zu können (090809).
Der Offenbarungseid der Regierung gab den Anstoß zur jetzt getroffenen Entscheidung von RWE, den Einstieg in die bulgarische Atomwirtschaft schleunigst zu beenden. Innerhalb des Konzerns war das Projekt ohnehin umstritten. Bisher hatte Konzernchef Jürgen Großmann aber allen Einwänden zum Trotz daran festgehalten und sich auch nicht davon beirren lassen, daß die ursprüngliche geplante Mitbeteiligung der Suez-Tochter Electrabel ebensowenig zustande kam wie der Einstieg anderer Investoren.
Nach Sachlage wären für RWE die Kosten des Projekts zu einem Faß ohne Boden geworden. Das gilt auch für die russische Atomstroyexport, die zusammen mit Areva und Siemens das Kernkraftwerk erstellen und ausrüsten soll. Der russische Staatskonzern hätte wohl noch das größte Interesse daran, die von RWE hinterlassene Lücke zu schließen. Aber auch er scheint bereits bis an die Grenze seiner Möglichkeiten gegangen zu sein, indem er sich bereiterklärte, einen Teil der Baukosten mit Kompensationsleistungen zu verrechnen.
Wie schon die geplante Beteiligung an Belene, die RWE erst nach wochenlangem Schweigen publizierte, wurde auch der Ausstieg aus dem Projekt zunächst von bulgarischer Seite bekannt und bestätigt. RWE präsentierte unterdessen auf seinen Internet-Seiten die energetische Renovierung des Hörsaalgebäudes der Universität Marburg als aktuellste Meldung. Immerhin verschwand dann aber im Laufe des 29. Oktober plötzlich und ohne Begründung das umfangreiche "Special Belene" von den Internet-Seiten, mit dem der Konzern bis dahin die Werbetrommel für die Atomstromproduktion in Bulgarien gerührt hatte (081103).
Die EU-Kommission will Bulgarien bis 2013 weitere 300 Millionen Euro für die Stilllegung der Blöcke 1 bis 4 des Kernkraftwerks Kosloduj und zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen zukommen lassen. Am 27. Oktober machte sie den Vorschlag für eine entsprechende Verordnung des Rates. Die Abschaltung der vier Blöcke vom Typ WWER 440/230 war eine der Voraussetzungen für die Aufnahme des Landes in die EU, da sie als besonders unsicher galten (951012, 910810, 910701). Als Ausgleich erhielt Bulgarien bis Ende 2009 bereits 550 Millionen Euro. Die beiden neueren Blöcke vom Typ WWER 1000 werden seit ihrer Nachrüstung (980317) als sicher angesehen und sollen weiter in Betrieb bleiben. Kosloduj ist bisher das einzige Kernkraftwerk des Landes.